Nach dem vom Publikum mit Begeisterung aufgenommenen Konzert von Lyambiko in der letzten Woche gab nun Jenny Evans ihre aktuelle gesangliche Visitenkarte im Birdland Jazzclub ab. Und sie zeigte mit Nachdruck, dass gekonnt vorgetragener Jazzgesang auch ohne den Touch der Exotik seine Wirkung nicht verfehlt.
Zwei Sängerinnen innerhalb acht Tagen, das bietet natürlich jede Menge Stoff zum Vergleich, noch dazu, wenn das Repertoire sich ähnelt, aus dem schier unerschöpflichen Reservoir an Jazzstandards schöpft. Jenny Evans ist eine gereifte Künstlerin, ein Multitalent aus Schauspielkunst und Musikalität, das durch langjährige Bühnen- und Businesserfahrung im Jazz Authentizität, Darstellung und Kunstfertigkeit in hierzulande unerreichter Weise vereint. Da muss sich der Nachwuchs aus der Bundeshauptstadt – Fräuleinwunder hin, Fräuleinwunder her – wohl noch ein wenig tummeln.
Die in England geborene Wahlmünchnerin Evans überzeugt durch eine voll ausgebaute Stimme, präzise und klare Phrasierung, makellose Intonation und eine fulminante Bühnenpräsenz, die in ihrem selbstbewussten Charme keiner Mätzchen bedarf um die Überzeugungskraft des Gesangs zu unterstreichen. Beim Klassiker „Caravan“ entführt sie schon innerhalb des ersten Taktes allein kraft ihrer Stimme in die Welt des Orients, in „Bye, Bye Blackbird“ stellt sie ihre Meisterschaft als versierte Scatsängerin unter Beweis. Vor allem aber in den Balladen erzielt Jenny Evans maximale Wirkung. Das dahingehauchte Liebeslied „Eine Nacht voller Glückseligkeit“ überzieht die versammelte Zuhörerschaft mit einer wie elektrisiert prickelnden Gänsehaut.
Mit ihrer seit langen Jahren auf sie eingestellten Band, dem gebürtigen Bertoldsheimer Gerhard Bickl am Piano – seit Jahren einer der begehrtesten Musiker der Münchener Szene -, Rudi Martini am Schlagzeug, Karsten Gnettner am Bass und dem trotz einer schmerzhaften Schulterverletzung so sensitiv wie elegant phrasierenden Peter Tuscher an Trompete und Flügelhorn, versteht sich Jenny Evans wie blind. Da springt der Funke unmittelbar über im ausverkauften Birdland, nichts ist zu Routine erstarrt, alles bleibt locker, klar, variabel; die Vertrautheit schafft Raum für jede Menge Spontaneität und so haben alle – Musiker wie Publikum – ihre helle Freude an einem hochklassigen Konzert.