Jenny Evans & Rudi Martini Trio | 12.09.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Nach etlichen jazzlosen Wochen erwachte der Neuburger Jazzclub aus dem alljährlichen Sommerschlaf in wohligem Wiedererkennen. Mit der aus England stammenden Wahlmünchnerin Jenny Evans stand samt ausgezeichneter Band eine alte Bekannte auf der Bühne des Birdland, die jedoch immer gut ist für etliche Überraschungsmomente.

Neben einer makellosen Intonation, einer natürlichen Stimme, einer sich selbst bewussten Persönlichkeit, ausgereifter Professionalität und einem ausgeprägten Gefühl für’s Timing verfügt Jenny Evans über ein immens großes und vielseitiges Repertoire, das sie sich im Laufe von 25 Bühnenjahren redlich erarbeitet hat. Ihre Liebe gehört nicht allein den wunderbaren üblichen Verdächtigen des Great American Songbook, sondern darüber hinaus so mancher Perle ganz anderer Herkunft. Und gerade bei diesen läuft sie zu einer Hochform auf, von der sich so manche hoch gewettete Jungdiva eine dicke Scheibe anschneiden könnte. Jenny Eans ist wohl die bisher einzige Jazzsängerin, die es schafft, Lieder aus Carl Orffs Carmina Burana, von John Dowland (1563-1626) und Henry Purcell (1659-1695), Cole Porters „Love For Sale“, Django Reinhardts „Nuages“ und George Harrisons „Within You, Without You“ in einem Programm so organisch zu vereinen als wäre ein solcher Springtanz durch Stile und Jahrhunderte das Natürlichste der Welt. Klingt aber so, denn Evans Stimme ist der souveräne Scout einer Zeitreise, die in den sensiblen Arrangements ihrer Band wie auf Flügeln gebettet verläuft. Groove und Zeitlosigkeit verbinden sich da mit großem instrumentalem Einfühlungsvermögen. Walter Lang, Chris Lachotta und Mulo Francel sorgen neben dem insgesamt eher hölzern wirkenden Schlagzeug von Rudi Martini für instrumentalen Glanz: Lang, der Romantiker mit der poetischen Ader am Piano, Lachotta, der Tieftöner mit der sonoren Fülle am Bass und Francel, der empfindsam anschmiegsame Lyriker an Saxophon und Bassclarinette, geben der Darbietung jenen Touch, der sie auf den Punkt genau setzt in das gebrochene Licht der ersten Tage nach dem großen Sommer. Abschied und Aufbruch zugleich, so passend für den Auftakt in die Herbstsaison, wie es nur sein kann.