Dusko Goykovic Quintet | 19.09.2003

| Reinhard Köchl
 

Etwas Neues über Dusko Gojkovic zu erzählen, hieße in der Tat, Trompeten nach New Orleans zu tragen. Der Kosmopolit mit serbischen Wurzeln, amerikanischer Vergangenheit und deutschem Pass verkörpert im Neuburger „Birdland“-Jazzclub wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag immer noch eine Qualitätsmarke ohne Verfallsdatum, eine Bastion gegen das ganze Brimborium des Zeitgeistes, ein Monument aus der großen Zeit des Jazz, das fast ohne Beschädigungen die Gegenwart erreicht hat.

Dann schon lieber eine intensivere Betrachtung von Duskos runderneuertem Quintett, das sich im Hofapothekenkeller erstmals präsentiert. Als Kontrapunkt zum luftig-schwerelosen Flügelhorn des Leaders fungiert fortan die bluesinfizierte, durchaus interessante, aber am Anfang gewöhnungsbedürftige Tenorsaxofonstimme Paul Hellers. Ein dunkler, gurgelnder, Nikotin vergangener, manchmal an Dexter Gordon erinnernder Ton, der sich irgendwann automatisch mit den Farben Gojkovics zumischen beginnt. Oder der frech und elegant auftrumpfende Pianist Claus Raible, der eigentlich nur einsprang, aber nun wie ein Schrittmacher für die alte Dame „Bebop“ wirkt, die Gojkovic immer wieder gerne auf die Bühne schubst.

Noch etwas zu anmutig, zu gedrechselt modelliert Martin Gjakonowski seine Basslinien. Mit der Ray-Brown-Nummer „Bass Blues“ gelingt ihm allerdings ein süffiges Bewerbungs-Intermezzo, das den jungen Mazedonier für höhere Aufgaben qualifizieren könnte. Etwas zu hippelig, zu wenig akzentuiert bearbeitet Drummer Radko Divjak sein Set und reißt damit auf Anhieb die hohe Latte, die einige seiner Vorgänger in Duskos Band aufgelegt haben.

Dennoch stimmt die Mischung einmal mehr, weil der Boss mit seinem Schalltrichter alle auseinander laufenden Strömungen prismengleich bindet. Und Neues gibt es doch von Gojkovic, dem ewig jungen Swing-Papst, wenn auch in kleinen, aber feinen Nuancen. Erst drei Tage vor dem Neuburg-Gastspiel hat er eine CD mit selbst komponierten Latin-Nummern aufgenommen und präsentiert sie nun, quasi als Welturaufführung, dem Publikum: Alles federleichte, fast schwebende, in die Beine gehende Samba-Harmonien und -Rhythmen, die selbst dem Schwermütigsten die ganze Fröhlichkeit des Karnevals von Rio ins Bewusstsein drängt.

Wie immer, läuft Dusko Gojkovic auch diesmal am Schluss zur absoluten Höchstform auf. „Back at the Chicken Shack“, der scheppernde Blues mit dem unwahrscheinlich ins Ohr gehenden Refrain, schmiedet Combo und Auditorium noch enger zusammen. Der ergreifendste Moment folgt freilich bei der zweiten Zugabe, aber auch das  ist eigentlich keine Überraschung mehr: Dusko Gojkovic mit gedämpfter Trompete, auf der ihn inzwischen viele für den ungekrönten Weltmeister halten, und Claus Raible am Piano.

Beide tupfen sie Erroll Garners „Misty“ an und schütteln einen langen, funkelnden Sternenschweif aus dem Thema. Und das macht ihm so schnell niemand nach: Über Jahrzehnte hinweg sein „Ding“ durchzuziehen, ohne Qualitätsverlust, mit unvermindertem Feuer. Alle Achtung!