Jenny Evans & Rudi Martini Quartet | 07.05.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Nicht von ungefähr landete ihr jüngstes Album „Nuages“ auf der Bestenliste des Preises der deutschen Schallplattenkritik im letzten Quartal 2004 ganz oben. Jenny Evans verfügt tatsächlich über eine der besten Stimmen, die der europäische Jazz zu bieten hat. Dementsprechend proppenvoll war der Birdland Jazzclub zum Jahresauftakt beim Konzert der aus England gebürtigen Münchenerin.

Es gehört ein Stück Mut und Entschlossenheit dazu, ein Jazzprogramm auf die Füße zu stellen, das sich fast ausschließlich auf europäische Kompositionen bezieht, fast ganz von den üblichen Verdächtigen des Great American Songbook absieht, mit denen frau die Fans so schön beeindrucken kann. Jenny Evans singt europäische Songs aus vielen Jahrhunderten, vereint in organischer Dramaturgie „Veris leta facies“ aus Carl Orffs Carmina Burana – auf Latein! – mit Liedern von John Dowland (1563-1626), Henry Purcell (1659-1695), Noël Coward (1899-1973) und Peter Kreuder (1905-1981), Django Reinhardts „Nuages“, George Harrisons „Within You, Without You“ oder Dusko Goykovichs „What Joy“. Mit den richtigen Arrangements könne man ohnehin fast jede Melodie als Jazznummer präsentieren, ist die Sängerin überzeugt, stellt diese Überzeugung auch gleich unter Beweis, wenn „Love is the answer“ über die Jahrhunderte hinweg grüßt in lebendig groovendem afro-kubanischen Rhythmus. Zu den beeindruckenden stimmlichen Qualitäten der im Birdland fast schon Heimstatus einnehmenden Sängerin kommt eine blitzsauber agierende Band mit dem nicht nur in Neuburg hoch geschätzten Walter Lang am Piano, Rudi Martini am Schlagzeug und Thomas Stabenow am Bass. Till Martin am Tenorsaxophon ist beileibe nicht nur Ersatz für den sonst im Quintett agierenden Mulo Francel, bereichert den Abend mit flüssigen Soli, die Roots und Eleganz verbinden. Jenny Evans 2005: ein Balladenabend von gesamteuropäischer Klasse, ruhig, klar, klischeefrei. Nichts für’s schnelle Amüsement! Wer jedoch zuzuhören vermag, dem erschließt sich eine neue alte Welt.