Jenny Evans Quartet | 16.10.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Jenny Evans ist zwar gebürtige Londonerin, lebt aber bereits seit den 1970-er Jahren in München. Von Anfang galt sie als eine der führenden Sängerinnen des Jazz hierzulande. Diese Rolle füllt sie auch heute noch problemlos aus. Beim gemeinsamen Konzert mit ihrer kleinen, aber feinen Band (Walter Lang am Klavier, Masako Kai am Kontrabass und Stephan Eppinger am Schlagzeug) steht sie an diesem Abend auf der Bühne des Neuburger Birdland-Jazzclubs und demonstriert eindeutig, dass man, wenn es um heimische weibliche Stimmen des Jazz geht, um sie ganz sicher nicht herumkommt.

Passend zur Jahreszeit hat sie einen bunten Strauß mit Herbstliedern im Programm. Gershwins „A Foggy Day In London Town“, Kurt Weill’s „September Song“, „Song Of Autumn“ von Dusko Goykovich und das melancholische „Early Autumn“ von Woody Herman bringt sie ebenso zu Gehör wie Johnny Mercer’s Klassiker “Autumn Leaves“, der natürlich in diesem Kontext nicht fehlen darf. Wer allerdings denkt, es ginge Jenny Evans dabei nur vordergründig um fallende Blätter, nebelige Landschaften und das allmähliche Absterben der Natur, der irrt. Der Herbst ist für sie nur das Bild, das für Abschied steht, für den Rückblick auf eine große Liebe, auf denkwürdige Stationen eines erfüllten und ereignisreichen Lebens, auf einschneidende Momente, an die man sich unweigerlich erinnert, wenn man Zwischenbilanz zieht.

Dass selbige weder melancholisch verklärt noch zornig ausfällt, wird schnell klar, wenn man die Sängerin vor sich zieht. Voller Energie, gut gelaunt und in bester Stimmung scherzt sie mit Publikum und Band. Eine Persönlichkeit mit Aura und mit nach wie vor großartiger Stimme sorgt für einen rundum gelungenen Abend, an dem keinen Moment Langeweile aufkommt. Das ist das Fazit.
Und das, obwohl man gewiss viele der von ihr interpretierten Stücke bereits kennt. Die Abwechslung macht’s, die originelle Songauswahl, die Vielfältigkeit des Repertoires. Doris Day’s „Secret Love“ aus dem Film „Calamity Jane“ neben Cole Porter’s „Love For Sale“? Ihre dem verstorbenen Gatten gewidmete Ballade „Even Without You“ neben Ella Fitzgerald’s „I’m Gonna Go Fishing And Catch Me A Trout“? – Bei Jenny Evans ist das überhaupt kein Problem, denn all die Songs werden durch ihre Stimme und ihre Haltung zu ihren eigenen, bekommen eine – wie man regelrecht spüren kann – ganz persönliche Bedeutung.

Jenny Evans ist weit davon entfernt, das Rad des Jazzgesangs neu zu erfinden. Das ist auch nicht ihr Bestreben, das kann sie getrost jüngeren Kolleginnen überlassen. Jene freilich werden sicher nicht umhin kommen, sich auf erfahrene Vokalistinnen ihres Schlages zu berufen. Die Zugabe bietet sich als Resumée nach diesen zwei Sets gerade zu an. „S Wonderful“ von George Gershwin. Ja, dieser Titel passt haargenau für den Abend im Birdland.