Jeff Hamilton Trio | 07.04.2000

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Die Geschichte ist verbürgt: vor einigen Jahren stand der amerikanische Weltklasse-Trommler Jeff Hamilton in einer lauen Frühlingsnacht schlüssellos vor seinem Neuburger Hotel am Ufer der Donau. Furchtlos stieg er die Hausmauer hinauf, zerriss sich dabei grundlos das Jacket, scheiterte mittellos an einem Münzfernsprecher und landete hilflos in einer sonderbaren Szenekneipe.

Eine echte Neuburg-Geschichte, die Hamilton nur am Ort seines ganz persönlichen Grauens mit dieser frappierenden Wirkung zum Besten geben kann. Das Publikum im ausverkauften Neuburger ­„Birdland“-Jazzclub verschluckt sich jedenfalls fast vor Lachen. In der selben Nacht schrieb der 47jährige Drummer noch den Titel „Old Man Fluss“, einen groovigen, dunklen Blues, den sein Adlatus Lynn Seaton mit brummelndem Unisono-Singsang aufpeppt. „­Exactly“, murmelt Hamilton während der Live-Premiere immer wieder, und man nimmt ihm ab, dass sich dieses traumatische Erlebnis gerade Stück für Stück vor seinem geistigen Auge wiederholt.

Ein Entertainer wie er versteht es, selbst wundersame Geschehnisse wie diese meisterlich in kreative Energie umzusetzen. Zum vierten Mal gastiert Jeff Hamilton nun schon im Hofapothekenkeller, und jedes Mal überzeugt er seine Fans aufs Neue mit charmanten Bonmots, technischer Brillanz und einem taufrischen Repertoire. Der vielleicht musikalischste aller Jazz-Schlagwerker und sein Langzeit-Trio wirken in ihrer Kompaktheit und Funktionalität wie ein kleines Swing-Kraftwerk voller verstecker Recourcen. Mit wohlgeformten, eleganten Harmonien, kunterbunt wechselnden Tempi und einem feinen Näschen für paritätisches Mit- und Nebeneinander belebt es den Geist des alten Oscar-Peterson-Trios mit einer ihm eigenen, unnostalgischen Note.

Die nährt sich in erster Linie aus der unscheinbaren Autorität ihres Leaders. Obwohl der swingt wie der leibhaftige Buddy Rich, klingt sein variables Druming stets, als intoniere er in eine Tonleiter. Das Auffällige: Hamilton arbeitet fast nur mit dem Besen, auch bei Powerhouse-Soli wie in „­Easy Water“ von Billy Taylor, oder manchmal gar mit bloßen Fingern. Hauchzarte Kaskaden dominieren die gesamte Performance (hinreißend die Beatles-Adaption „Here, There And Everywhere“!), von der Gruppe getupft, gezupft, gesäuselt, als fiele eine Stecknadel aus dem zehnten Stock herab.

Jeder der drei passt seinen Sound in einem tiefen inneren Einverständnis an den anderen an, bis das Dreigestirn schlussendlich wie ein mehrstimmiges Instrument daherkommt. Mit Lynn Seaton gibt es da nicht den Hauch eines Problems. Der Professor an der North Texas- Universität sieht sowieso aus wie Hamiltons Bruder, verfügt über das selbe Swing-Verständnis und streicht den Kontrabass wie ein schwerblütiges Cello. Dagegen fehlt es dem Neu-Pianisten Tamir Handelman ein wenig an der Bindung. Obwohl er sich als sensibler Zeichner filigraner Blueslinien auswies, scheint der omnipräsente Vergleich mit Vorgänger Larry Fuller dessen Spiel noch zu sehr belasten. Aber in den Händen dieses behutsamen, sensitiven und ganzheitlich denkenden Bandleaders erreichte bislang noch jedes Talent seinen kreativen Zenit. Einfach abwarten bis zum nächsten Konzert.