Jeff Clayton Quartet | 11.04.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein leiser Funke von Verblüffung, doch es ist ja auch schon reichlich spät am Abend. Charlie Parker 1997 im „Birdland“, im Neuburger, wohlgemerkt? Wiederauferstanden, absolut clean, immer noch so dick wie früher, angetan mit einem modisch-bunten Westchen, einer formlosen Brille und mit fast dem selben prägnanten Ton, wie in den 40ern? Nur eine Illusion von „Bird“, aber zumindest eine ziemlich gute.

Jeff Clayton macht`s im ersten Set seines Auftritts im proppenvollen Jazzkeller der Ottheinrichstadt möglich, und er genießt die kollektive Irritation sichtlich. Denn unter eigenem Namen waren dem kleinen Bruder des renommierten Bigbandleaders und Bassisten John Clayton bislang nur selten Spotlights vergönnt. Doch wer jahrelang im Hintergrund die Hitfabrik eines Stevie Wonder am Laufen hielt und den Ohrwürmern von Michael Jackson, den „Temptations“, Kenny Rodgers oder „Earth, Wind and Fire“ mit Altsaxophon oder Flöte den letzten Schliff verlieh, den drängt es halt irgendwann mal unweigerlich aus dem zweiten Glied nach vorne. Zumal Jeff Claytons Herz wie das vieler anderer hochrangiger Studiomusiker gar heftig im Jazztakt pocht.

Dennoch unterscheidet sich sein Schicksal grundlegend von dem vieler namenloser Trittbrettfahrer, die sich relativ schamlos für ein winziges Stück Bekanntheit mit großen Namen schmücken. Durch Claytons Ausflug ins millionenschwere Popgenre – soviel steht nach dem bisherigen Verlauf seiner Europatournee fest – ging dem Jazz lange Jahre eines seiner vielversprechendsten Talente abhanden. Demzufolge gebührt dem Mann aus Los Angeles nun die Aufmerksamkeit der Fans, nicht zuletzt, weil er für sein verspätetes Outcoming ein scheinbar völlig aus dem Trend geratenes Erscheinungsbild wählt.

Clayton versteht sich nämlich als Freund des Publikums, er fühlt sich ihm verpflichtet, „bedient“ es, ohne die Leute mit allzu billigen Showeffekten hinters Licht zu führen. Denn neben seiner unterhaltsamen Conference, seinem hohen körperlichen Einsatz und seinen herzlichen Dankesgesten für den frenetischen Applaus im „Birdland“ überzeugte er in der Hauptsache immer dann, wenn er sein Horn zum Mund führte.

Am Alto stets ein bißchen Parker, aber doch nur der eine Jeff Clayton: direkte rhythmische, gleichmäßig fließende Phrasierung und symmetrischer Aufbau ohne die bei Kollegen oft feststellbaren Diskontinuitäten, wenn diese auf „Birds“ Spuren wandeln. An der Querflöte ein besonnen schwelgender Ästhet voller überraschender Wendungen, wie beim unorthodoxen Intro zu „Summertime“, dessen feuchte Hitze sich schon nach Sekunden zu entfalten scheint. „Misty zelebriert Clayton mit seiner kongenialen Band um den Pianisten Tardo Hammer, den Bassisten Steve Kirby und den Schlagzeuger Alvester Garnett als herzzerreißende, manchmal ein klein wenig larmoyante Ballade, die Fröhlichkeit seiner heimatlichen Baptistenkirche transportiert er plastisch im gospelgetränkten „Preach“.

Wenn er sich nun noch dazu durchringen könnte, den Sprung an`s Jazzufer mit allerletzter Konsequenz zu betreiben, wäre der phantasievolle Amerikaner schon jetzt eine Offenbarung. Nach der Pause offerierte Jeff Clayton überwiegend eigene Kompositionen im Samba-, Bossa- oder Bluesmuster. Allesamt schön und absolut ohrwurm-tauglich, aber auch etwas kantenlos. Was Wunder, bei dem Lehrmeister.