Cornelius Claudio Kreusch Trio | 19.04.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Früher hieß es Swing, heute nennt man es Groove. Doch die Wirkung bleibt immer die gleiche: der Fuß wippt, der Kopf schaukelt und jeder der Betroffenen fragt sich, warum. Ein generationsübergreifendes Mysterium, durch rein technische Analysen noch nie zu deuten. Doch nun kommt ein 28jähriger Münchner mit Namen Cornelius Claudio Kreusch daher, und plötzlich wird einem schlagartig die wahre Essenz dieser grassierenden Volkskrankheit klar.

Swing, respektive Groove ist nämlich nichts weiter, als reine Energie, erzeugt von einem musikalischen Kraftwerk, bei dem die Beteiligten ihre Turbinen wie filigrane Uhrwerke miteinander verzahnen. Das Trio des aus Ottobrunn stammenden, seit 1994 in New York lebenden Pianisten exerziert perfekt vor, was bei zusammengewürfelten Bands kaum klappt. Ein Blick, ein Lächeln, ein Nicken und „Black Mud Sound“, so der Name des kongenialen Ensembles, beginnt mit ungezügelter Power in den vollbesetzten Neuburger „Birdland“ Jazzclub zu rollen.

Musik als Naturereignis, Jazz als Entladung gewaltiger Kräfte, offene Münder über die hypnotische Welle, das ständige Rumoren. Vor allem im ersten Teil des Konzertes rührten die jungen Aufmüpfigen heftig in den Eingeweiden des Mainstream, des Funk und der New Yorker M-Base. Dem dabei erzeugten Strudel konnten sowohl die Kids vorne in ihren Schlabberklamotten und Baseballmützen wie auch weiter hinten die Puristenriege kaum widerstehen.

Kreusch lümmelt sich und lauert am Bösendorfer, daß es wohl jedem Klavierlehrer graust. Angriffslustig, mit dem sicheren Gespür des Raubtiers, das zum tödlichen Sprung ansetzt, beugt er sich in die Tastatur. Der Mann, dessen Name auf einen milchwangigen Klassik-Schöngeist schließen läßt, den aber bereits ein ganz Großer wie Herbie Hancock in diversen Duoprojekten adelte, provoziert mit Eleganz und Lässigkeit, forscht geschmeidig nach Akkorden und Oktaven, argumentiert knallhart und unerbittlich.

Sein Kontrapunkt heißt Will Calhoun, Taktgeber der Kult-Funkband „Living Colour“ und augenblicklich einer der populärsten Drummer der modernen Musik. Das Set dient der schillernden Figur mit den Rastalocken nie als ohrenbetäubende Schießbude. Calhoun ersinnt vielmehr polyrhythmische Geniestreiche am laufenden Band, erzeugt mit seinen Gliedmaßen nebeneinander vier verschiedene Tempi, improvisiert brillant und intensiv, mit einer kostbaren Sehnsucht nach Stille. Vor allem sein Handling der digitalen Wave-Drum, dem Objekt der Begierde eines jeden Schlagwerkers, bereichert das Fest der Klänge enorm und erzeugt eine geheimnisvolle, voodooähnliche Spannung.

Mittendrin thront Anthony Cox als beschwichtigendes Element mit beiläufigen Flageolotts und heftig pumpenden Linien. Für ein Mehr an melancholischer Wärme hätte der virtuose Saitenzupfer freilich noch häufiger den metallen tönenden E-Baß mit dem akustischen Kontrabaß tauschen können.

Auch wenn die unglaubliche Dynamik fast vorhersehbar nach der Pause abfiel: das große Verdienst der drei von „Black Mud Sound“ besteht darin, ihre Tongebilde immer am Leben zu lassen und sie mit sanfter Wucht in den Raum zurückzuschicken. Kreusch, Calhoun und Cox drücken ihren Groove förmlich in den Körper des Hörers – grandios und pur. So als würden Feuer, Lunte und Dynamit ihr brisantes Handwerk verrichten.