Jean Philippe Bordier Quartet | 25.03.2022

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Mal kein Saxofon, keine Trompete, kein Bass, auch kein Piano, obwohl im Birdland eines der besten weit und breit steht. Die klassischen Instrumente des Jazz haben diesmal Pause. Trotzdem groovt es permanent, mitunter sogar ansteckend, aber keinesfalls aufdringlich, eher wie ein dezenter, hypnotischer Impuls. Der französische Gitarrist Jean-Philippe Bordier hat ein vor allem in den 1960er Jahren bewährtes Rezept recycelt, mit dem sein berühmter amerikanischer Kollege Wes Montgomery an der Seite des Organisten Jimmy Smith regelmäßig Clubs zum Brodeln brachte.

Ganz gelingt dies Bordier sowie seinen Mitstreitern Guillaume Naud an der Hammondorgel, Pascal Bivalski am Vibrafon sowie dem aus Frankfurt stammenden Schlagzeuger Andreas Neubauer an diesem Abend zwar nicht. Dennoch bewegen die vier merklich den bis zur gesetzlich erlaubten Grenze vollbesetzten Hofapothekenkeller, was sich anhand von reflexartig wippenden Füßen und entspannt nickenden Köpfen vor allem im lebendigeren zweiten Set gut nachverfolgen lässt. Beste Unterhaltung auf erstaunlich hohem Niveau also – ein klassisches Beispiel für die oft beschworene Quadratur des Kreises, weil dies im angeblich so verkopften Jazz nur ganz selten gelingen mag. Und auf jeden Fall eine feine und geschmeidige Lösung, die auf recht angenehme Art von der Norm abweicht.

Zwar reproduzieren Bordier und Co. Teile eines alten Sounds, indem der Gitarrist statt eines Plektrums nur den rechten Daumen verwendet, während er seine Soli in Oktaven strukturiert, um damit zeitweilig eine klangliche Nähe zu Bläsern zu erreichen. Aber sämtliche Nummern entstammen nicht der bekannten Montgomery-Literatur, sondern der Feder des gallischen Saiten-Druiden, der neben seinen exzellenten instrumentalen Fähigkeiten noch über ein ziemlich außergewöhnliches Kompositionstalent verfügt. Ob dies nun der „African Bolero“ ist, ein frisches, freches Stück, das pausenlos die Ton- und Taktarten wechselt, oder „Mr. Hap“ ein „Fünfer“ (was nichts anderes als einen vertrackten 5/4-Takt bedeutet) sowie „Dr. Oligo“, ein hippes Ding, das auch das Treiben von Dr. Emmet Brown in „Zurück in die Zukunft“ untermalen könnte: Jean-Philippe Bordier findet immer wieder bis dato unbekannte Wege, um das Publikum mit bekannten Mitteln in den Bann zu schlagen.

Neben dem gleißenden Klang der Hammond, den Guillaume Naud immer wieder zwischen die Taktstriche schiebt, erfährt der luftige Sound noch durch ein zweites Harmonieinstrument, nämlich das elegant perlende Vibrafon, Nahrung. Pascal Bivalski agiert hier über weite Teile erstaunlich mannschaftsdienlich, fast ein wenig zu zurückhaltend, um dann – wie seine Bandkollegen – in den Soli urplötzlich zu explodieren. Noch eines von Bordiers dezenten Erfolgsgeheimnissen: Er gewährt seinen Musikern die lange Leine. Innerhalb eines gut zweistündigen Konzertes räumt er ihnen außergewöhnlich viel Platz ein, damit sie sich ausgiebig solistisch präsentieren können, auch dem feinen, vieles verbindenden Drummer Andreas Neubauer. Als Dank dafür agiert das seit vielen Jahren eingespielte Quartett wie ein schnurrender Motor, der sich durch nichts aufhalten lässt. Die Rädchen greifen während jeder Note perfekt, mitunter auch ein bisschen zu perfekt ineinander, sei es in den funkig-treibenden Nummern wie „Speedjump“ oder „Skunk“, in den gründelnden Stücken wie „Hefeweizenaffair“, das eindeutig in Bayern entstanden sein muss, oder der ein bisschen „Round Midnight“-Aroma verströmenden Ballade „2020“.

Alles in allem sind es edle, süffige Linien und Melodien, die Jean-Philippe Bordier mit seiner florettartig geführten Klinge aus Blues und Funk und seiner aufgeweckten Gefolgschaft erfreulich oft gegen den Beat ins Ziel führt. Keine anarchistische Brandstiftung, aber dafür Entertainment der gehobenen Art. En Garde! Allez! Touché!