Jean-Louis Matinier & Kevin Sedikki | 19.03.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der eine gehört zu den führenden zeit­genössischen Akkordeonisten des Jazz und war lange Zeit Begleiter der großen Juliette Greco, der andere kommt von der Klassik und verbindet die Musik ver­schiedenster Ethnien zu seiner ganz per­sönlichen Variante von Weltmusik. Jean-Louis Matinier und Kevin Seddiki im Birdland: Das etwas andere Jazzkonzert.

Wer an diesem Duo-Abend reißerische Performance, schwitzende Akteure auf der Bühne und mörderische Grooves er­wartet hat, ist fehl am Platz, Zuhörer, die Sinn und Empathie haben für filigrane, zarte, intime, kammermusikalische Kompositionen ohne vordergründige Be­triebsamkeit hingegen sind genau richtig. Matinier und Seddiki sind Ästheten, ab­solut geschmackssichere Meisterköche in der Verwendung passender Zutaten. Wenn sie ein Stück beginnen, kann man sicher sein, dass es unter ihren Händen zu einem musikalischen Kleinod wird, zu einem lyrischen Statement, zu einem Klangerlebnis voll vornehmer Schönheit.

Der Mann am chromatischen Knopf-Akkordeon und sein Partner an der mit Nylonsaiten bespannten Konzertgitarre lassen ihren Stücken Luft zum Atmen, Zeit zur Entwicklung. Die Übergänge zwischen den auskomponierten Teilen und den improvisierten sind fast nicht auszumachen, denn hier spielt nur ganz selten einer Solo, während ihn sein Part­ner nur begleitet. Die beiden wechseln sich in ihren jeweiligen Aufgaben ab, verzah­nen sich, lösen sich voneinander, finden neue Verknüpfungen. Die Form des Duos, anspruchsvoll wie vermutlich sonst keine immer dann, wenn es um Im­provisation geht, ist für die beiden das ideale Betätigungsfeld. Hier können sie meisterlich ihre großen Stärken ausspie­len, ihr blindes Verständnis, ihre ganz persönliche Raumaufteilung, das absolu­te Gespür für die Ideen, die Pläne und die Art der Umsetzung beim Partner.

Die beiden sind für die Erzeugung von Bildern und Assoziationen geradezu wie geschaffen. So hört man bei „Après la pluie“ quasi noch den Regen tröpfeln, während ein sanfter Wind bereits die Wolken vertreibt, und in „Feux Follets“ die Flammen lodern und das Feuer pras­seln. Obwohl das Klangbild den ganzen Abend über sich nicht wesentlich ändert, gibt es in stilistischer Hinsicht kaum Grenzen. Johann Sebastian Bach, Tango und Bossa Nova, Orientalisches, Medi­terranes, ein improvisiertes perkussives Intro hier, eine gezielt eingesetzte Disso­nanz dort – das Spektrum hinsichtlich des Klanges, des Rhythmus, der geogra­fischen und historischen Bezugspunkte ist immens breit.

Das Publikum ist bereits nach dem ers­ten Stück ein Teil des Ganzen. An den leisen und intimen Stellen könnte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören, es gibt – wie im Birdland ansonsten durchaus nicht selten – keinen Szenenap­plaus, obwohl der durchaus verdient wäre, niemand stört die Abläufe, die zwischen Komplexität und Schlichtheit pendelnden Strukturen, bis die Musiker signalisieren, dass das Stück zu Ende ist. Dann freilich ist er überaus heftig und es geschieht, was sich die ganze Zeit über schon angekündigt hat. Ohne zwei Zuga­ben entlässt man die beiden Franzosen an diesem Abend nicht in die Garderobe.