Der eine gehört zu den führenden zeitgenössischen Akkordeonisten des Jazz und war lange Zeit Begleiter der großen Juliette Greco, der andere kommt von der Klassik und verbindet die Musik verschiedenster Ethnien zu seiner ganz persönlichen Variante von Weltmusik. Jean-Louis Matinier und Kevin Seddiki im Birdland: Das etwas andere Jazzkonzert.
Wer an diesem Duo-Abend reißerische Performance, schwitzende Akteure auf der Bühne und mörderische Grooves erwartet hat, ist fehl am Platz, Zuhörer, die Sinn und Empathie haben für filigrane, zarte, intime, kammermusikalische Kompositionen ohne vordergründige Betriebsamkeit hingegen sind genau richtig. Matinier und Seddiki sind Ästheten, absolut geschmackssichere Meisterköche in der Verwendung passender Zutaten. Wenn sie ein Stück beginnen, kann man sicher sein, dass es unter ihren Händen zu einem musikalischen Kleinod wird, zu einem lyrischen Statement, zu einem Klangerlebnis voll vornehmer Schönheit.
Der Mann am chromatischen Knopf-Akkordeon und sein Partner an der mit Nylonsaiten bespannten Konzertgitarre lassen ihren Stücken Luft zum Atmen, Zeit zur Entwicklung. Die Übergänge zwischen den auskomponierten Teilen und den improvisierten sind fast nicht auszumachen, denn hier spielt nur ganz selten einer Solo, während ihn sein Partner nur begleitet. Die beiden wechseln sich in ihren jeweiligen Aufgaben ab, verzahnen sich, lösen sich voneinander, finden neue Verknüpfungen. Die Form des Duos, anspruchsvoll wie vermutlich sonst keine immer dann, wenn es um Improvisation geht, ist für die beiden das ideale Betätigungsfeld. Hier können sie meisterlich ihre großen Stärken ausspielen, ihr blindes Verständnis, ihre ganz persönliche Raumaufteilung, das absolute Gespür für die Ideen, die Pläne und die Art der Umsetzung beim Partner.
Die beiden sind für die Erzeugung von Bildern und Assoziationen geradezu wie geschaffen. So hört man bei „Après la pluie“ quasi noch den Regen tröpfeln, während ein sanfter Wind bereits die Wolken vertreibt, und in „Feux Follets“ die Flammen lodern und das Feuer prasseln. Obwohl das Klangbild den ganzen Abend über sich nicht wesentlich ändert, gibt es in stilistischer Hinsicht kaum Grenzen. Johann Sebastian Bach, Tango und Bossa Nova, Orientalisches, Mediterranes, ein improvisiertes perkussives Intro hier, eine gezielt eingesetzte Dissonanz dort – das Spektrum hinsichtlich des Klanges, des Rhythmus, der geografischen und historischen Bezugspunkte ist immens breit.
Das Publikum ist bereits nach dem ersten Stück ein Teil des Ganzen. An den leisen und intimen Stellen könnte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören, es gibt – wie im Birdland ansonsten durchaus nicht selten – keinen Szenenapplaus, obwohl der durchaus verdient wäre, niemand stört die Abläufe, die zwischen Komplexität und Schlichtheit pendelnden Strukturen, bis die Musiker signalisieren, dass das Stück zu Ende ist. Dann freilich ist er überaus heftig und es geschieht, was sich die ganze Zeit über schon angekündigt hat. Ohne zwei Zugaben entlässt man die beiden Franzosen an diesem Abend nicht in die Garderobe.