Jason Seizer New Quartet | 04.12.2015

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Geduldig, intensivierend, faszinierend baut sich Spannung auf und plötzlich ist man mittendrin im Cinema paradiso, jener alltagsentrückten Welt, in der die Macht der bewegten Bilder die Phantasie beflügelt. Wobei die bekennenden Cineasten auf der Bühne des Neuburger Birdland betonen, dass es ihnen gar nicht so sehr um die Bilder und Geschichten geht, die auf der Leinwand des Lichtspiels erscheinen, sondern vielmehr allein um die Musik. Die wird ja, von wenigen Ausnahmen abgesehen, man denke an Ennio Moricone oder John Williams, selten als in sich tragend wahrgenommen, dient eher der Betonung, Untermalung, emotionalen Verstärkung des Geschehens auf der Kinoleinwand.

Dabei lohnt des sich doch so oft, die Musik genauer wahrzunehmen. Das New Quartet des Münchener Saxophonisten Jason Seizer mit Pablo Held am Bösendorfer, Matthias Pichler am Bass und Fabian Arends am Schlagzeug nimmt die Musik entsprechend ernst. Die Titel der Filme werden zwar angesagt, der Strudel der Improvisation freilich löst sich sehr schnell von den Themen, spielt mit ihnen wie mit Puzzleteilen oder Mosaiksteinen, um ihnen ihre eigenen Geschichten zu entlocken. Da ist’s kein Wunder, dass auf Wiedererkennungseffekte weitgehend verzichtet wird.

Keineswegs dekonstruierend oder abstrakt, sondern blut- und glutvoll, lebendig, mal scharfkantig, mal kontemplativ, schier überbordend vor Phantasie, immer wieder auch in sehr bewusst zur Ruhe kommendem Innehalten der Spannung entwickeln sich Themen aus so unterschiedlichen Filmen wie „Wait for the Dark“, „The Deer Hunter“, „Blow Up“, „Der Maschinist“ oder gar dem „Dschungelbuch“ zu völlig unerwartetem Eigenleben.

Mit Respekt, versteht sich, mit hoher Sorgfalt, sensibler Spielkultur und großer Seriosität. Da wird die Leinwand gar nicht mehr gebraucht, so viele Bilder entstehen beim Zuhören wie von selbst. Großes Kino im Birdland!