Jason Seizer International Quartet feat. Peter Bernstein | 23.01.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Drei aus dem Quartett versuchen schon seit geraumer Zeit in New York ihr Glück. Nur ihr Leader lebt (noch) bei München, obwohl gerade er wie ein originäres Qualitätsprodukt jener gigantischen Musik-Drehscheibe am Hudson River klingt. Jason Seizer kennen bis dato nur wenige. Doch die Tage relativer Anonymität in der Szene der bayerischen Landeshauptstadt scheinen für das Riesentalent am Tenorsaxophon gezählt. Möglicherweise eine gewagte Prognose. Aber das Gros der Ohrenzeugen würde sie nach seiner jüngsten rund zweistündigen, erfrischend „anderen“ Darbietung im Neuburger „Birdland“-Jazzclub unter Garantie problemlos unterschreiben.

Denn wer derart beherzt mit den vielen manifestierten Klischees von Adolphe Saxs revolutionärer Erfindung bricht und ihr langsam wieder den einst grenzenlosen Entfaltungsdrang zurückgeben will, der hat in der Tat eine Chance auf internationaler Ebene verdient. Seizer bläst ins Horn und tut dies mit Bedacht. Kein traditioneller Ballast, keine populistischen Gimmicks, keine billigen Plagiate. Der gebürtige Stuttgarter kredenzt ein schlankes, von allen unnötigen Wucherungen befreites Tenor, das endlich nicht mehr nach den großen Trendsettern dieses Jahrhunderts schielt und eine längst überfällige Korrektur der Prioritäten beim jazztypischsten aller Instrumente einleitet.

Zu lange lähmte sich vor allem die jüngere Saxophonisten-Generation in ihrer blinden Bewunderung für Coltrane, Rollins, Dexter Gordon oder Coleman Hawkins. Alle wollten spielen wie sie, den meisten fiel vielleicht auch nichts besseres ein. Eine Identitätskrise, in der bald jeder klang wie der andere, beliebig austauschbar, berechenbar, unattraktiv. Zwar offeriert Jason Seizer auch mit seiner aktuellen Combo sattsam bekannte Standards wie Monks „Mistrioso“, Kenny Barrons „Voyage“ oder „Body And Soul“, die beliebig abrufbare Balladen-Litanei. Doch schon die ersten Sekunden verraten das unbedingte Bemühen, etwas zu zeigen, das schon den kleinsten Ansatz eines Vergleiches im Keim erstickt.

So produziert der 33jährige ungerührt am Trend vorbei: jungfräuliche Töne; trocken, spröde, dezent, aber eindeutig. Eben Seizer-like. Er umkreist sie, beobachtet sie und erweitert seinen Sound. Das funktioniert, indem sich der Mann am Tenor im Unisono einfach auf die wieselflinken, boppig-funkigen Singlenotes des amerikanischen Gitarren-Newcomers Peter Bernstein setzt, an die spektakulären ungeraden Metren des in den USA sensationell verbesserten Münchner Drummers Falk Willis viele kluge Motivketten anfügt oder gehauchte, unprätentiös glänzende Akkordfetzen in die virtuosen Baßschneisen des Holländers Joris Teepe bricht.

Wenn die vier mit atemberaubenden Eigenkompositionen wie Seizers „Black Iris“ oder dem shuffle-lastigen „Jive Coffee“ von Bernstein aufwarten, scheint es sogar, als würde der Jazz gerade in diesem Moment auf`s Neue erfunden. Im Selbstbewußtsein jedes einzelnen und den daraus resultierenden Visionen liegt das Geheimnis dieser Formation, die weder typisch amerikanisch klingt, noch den steifen Hauch europäischer Nachahmer verströmt. Selbst für „Birdland“-Verhältnisse ein wirklich außergewöhnliches Konzert.