Jason Moran and the bandwagon | 02.04.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„Das ist meine Bluesplatte“, sagt Jason Moran über seine neue CD „Same Mother“. In der Tat, was der pianistische Überflieger mit seinem „Bandwagon“ im Neuburger Birdland ablieferte, war Blues pur, allerdings ganz anders: jenseits aller nostalgischen Klischees skelettierten vier Musiker den Blues bis auf’s letzte denkbare Detail und entlockten ihm unglaublich aufregende Wendungen, wie sie wohl niemand dem guten alten 12-Takte-Schema je zutrauen würde.

„Wir wollen die Leute mitnehmen. Darum nennen wir die Band auch nicht Jason Moran Quartet oder so ähnlich, sondern eben Bandwagon. Da kann man aufspringen, die Bewegung mitmachen.“ Und Bewegung ist jede Mange drin in der Musik, die der in New York lebende Pianist gemeinsam mit Taurus Matee an der halbakustischen Bassgitarre, Nasheet Waits am Schlagzeug und dem fabulösen Marvin Sewell an der Gitarre förmlich in den Keller sprüht. Eigentlich eher reflexiv als offensiv sitzen die Vier auf der Bühne des Birdland wie entspannte Feierabendmusiker auf einer Veranda irgendwo im Mississippidelta, lassen Revue passieren, was Blues war und ist und was aus ihm werden könnte: „You’ve got to be modernistic!“ Das ist mehr Bekenntnis als Zwang. Wer in der Vergangenheit nur verharrt, wird dem Heute nicht gewachsen sein. Wer sich ihr verweigert ebenso. Was also heißt Moderne angesichts solcher Einsicht? Die Gleichzeitigkeit von Wurzeln und Fortschritt! Nur wer das Vokabular der Väter beherrscht, wird ihr Erbe antreten können, ohne daran zu ersticken, ohne es auf der anderen Seite sinnlos zu verschleudern. Jason Morans Bandwagon rauscht mit machtvollem Kesseldruck und in rasantem Tempo durch die Nacht, führt den Mitreisenden quer durch eine zuweilen vertraute, bisweilen bizarre musikalische Landschaft, lässt Heimat und Fremde vorbei rauschen und vermengt die Blicke aus dem Fenster zu einem vielgestaltigen permanent sich ändernden annehmenden Kaleidoskop. Mehr und mehr Unerhörtes ereignet sich, kreativ pulsierend, aufregend, dicht. Immer wieder schälen sich einzelne Melodien aus den bunten Kaskaden, geben Halt im drängenden Voran der explosiven Bewegung eines stetig auf haarscharf riskanter Kante dahin wirbelnden musikalischen Kraftwerks. Differenziert, intelligent, lebendig, überwältigend!