Carsten Daerr Trio | 08.04.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Kochtopf und Luftpumpe, Gongs und Glocken, ein Paukenschlegel auf den Basssaiten oder ein einzelner Klavierhammer in den Eingeweiden des Bösendorfers – aus Geräuschen schält sich langsam ein Rhythmus heraus, eine Melodie entwickelt sich, wird aufgegriffen von Schlagzeug, Piano und Kontrabass, übersetzt in Musik, peu a peu zur Grundlage improvisatorischer Exkurse ins Ungewisse. Wo sind wir hier? Ist das noch Jazz? Kein gewöhnliches Pianotrio jedenfalls präsentiert sich da mit dem Carsten Daerr Trio im Neuburger Birdland, näher am Rande improvisierter Neuer Musik als im Reich fußwippenden Swings: „Nonen est Omen“.

Flugs kommt da „R2D2“ aus dem Krieg der Sterne in den Keller gerollt, der kleine silberfarbene Roboter, der – wie im Laufe des Abends auch sein Kollege „C3PO“ – immer wieder in die abenteuerlichsten Schicksalswirbel gerät. Die Aufregung ist ihm in der Komposition Eric Schäfers förmlich anzuhören. Es könnte übrigens was dran sein an der These, dass es derzeit die Drummer sind, die den Jazz am intensivsten verändern. Für die in unseren Tagen endgültig vollzogene Emanzipation des Schlagzeugs vom Rhythmus zum kreativen Komplett-Musikinstrument jedenfalls ist Eric Schäfers Drumming ein ausgezeichneter Beleg. Jederzeit kann mit Überraschungen gerechnet werden, der durchtickende Groove ist nur mehr implizit vorhanden – und er kann ggf. blitzschnell variiert werden: Das Schlagzeug steht in rhythmischer, harmonischer, melodischer Eigenständigkeit in vollendet partnerschaftlicher Zuordnung zu Piano und Bass. Die toben dagegen in „Innen“ zunächst mal in heftigem Unisono los, lassen erst später den knackigen Groove von den Drums dazu fließen, kontrastieren miteinander die wuchtige Bewegung durch filigrane Geräuschkulissen, lassen es dann rollen und grollen in mächtiger Offensive.

Malerisch sind die Stücke benannt: „Pygmi Up“ ist der Inspiration Afrikas gewidmet, die „Rastaman Frustration“ den kiffenden Zeitgenossen, „Hängende Gärten“ und „Blume“ – „Da denkt man erst an Frühling und so, ist aber nicht so, leider …“ Wieso leider? Selten hört man Musik, in der Anspruch und Kurzweil in derart gekonnter Symbiose vereint sind. Jederzeit passiert Neues, dabei nie verkrampft kalkuliert, sondern in locker sich entwickelnder kreativer Konzentration und spontaner Hellhörigkeit. Geschichten werden erzählt in spannungsvoll durchstrukturierten kompositorischen und improvisatorischen Bögen von differenzierter Feinheit. Kraft und Sensibilität sind da kein Widerspruch, sondern ermöglichen sich gegenseitig in einem Trio, das wohl ein endscheidendes Wörtchen mitzureden haben dürfte in der Frage, wohin die Reise geht in der improvisierten Musik europäischer Herkunft.