Angelo Debarre Quartet | 08.04.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Es war wenn nicht der einzige, so doch der erste nennenswerte stilistische Beitrag Europas zur Geschichte des Jazz. In den 30er und frühen 40er Jahren begeisterte das Quintette du Hot Club de France die Jazzwelt diesseits und jenseits des Atlantiks. Bis heute hat die Musik dieser Zeit nichts von ihrem Schwung und Charme verloren, bis heute pflegen herausragende Musiker den Stil, den wesentlich Django Reinhardt und Stéphane Grapelli prägten. Mit dem Quartett um den Gitarristen Angelo Debarre und den Geiger Tim Kliphuis war eine Band im Neuburger Birdland zu Gast, die der Pflege des Erbes jede Menge Sorgfalt, Liebe und meisterhaftes Können widmete.

Rasanz und Zärtlichkeit, Sentiment und Bewegung, fingerflinke Virtuosität und unwiderstehlicher swing, das sind die Ingredienzien der Hot Club Musik. Die ungeahnten Möglichkeiten, die Django Reinhardt der Gitarre erschloss, spornen bis heute ein ganzes Heer von Epigonen an. Nicht Wenige erreichen ein hohes Niveau, nur Einige jedoch wirkliche Klasse. Angelo Debarre ist einer davon. Mit frappierender Lässigkeit jagt er förmlich das Griffbrett entlang bis die Funken sprühen, dabei immer gepflegt und kultiviert, nie nur einfach virtuos, sondern stets darauf bedacht, den Standards des Great American Songbook, die zu Beginn auch die Standards des Gypsy-Swing waren, neue melodiöse Nuancen abzugewinnen. Selbstredend sind auch etliche Reinhardt-Kompositionen zu hören, liebevoll ins Heute getragen, zärtlich betrachtet und gegenwartstauglich interpretiert ohne irgendwelche Staubwolken aus dem Mantel der Geschichte.

Geiger gibt es ohnehin nicht viele im Jazz. Wer sich jedoch an das in diesem Genre fast schon exotische Instrument wagt, muss das um so überzeugender tun. Tim Kliphuis kommt seinem Idol Stéphane Grapelli in sehr bemerkenswerter Weise nahe; vor Allem die hauchzarte Bogentechnik, die der Altmeister als besonderes Markenzeichen pflegte, geht Kliphuis wie selbstverständlich von der Hand, kommt in der verstärkerfreien Akustik des Neuburger Jazzclubs in herausragendem Maß zur Geltung. Der Niederländer gibt dazu noch einen Schuss Klassik, ergänzt den gehauchten Ton Grapellis mit einem bewussten Mehr an Klangfülle.

Was wäre die Hot-Club-Musik ohne eine funktionierende Rhythmus-Equipe? Tchavolo Hassan an der Rhythmusgitarre und Simon Planting am Bass setzen eine zuverlässig voran swingende Basis, auf der sich die solistischen Aktivitäten von Kliphuis und Debarre relaxed entfalten können, virtuos, charmant, voller Leben.

Für Alle, die noch einmal nachhören wollen, empfiehlt es sich, am 20.5. um 23.05 Bayern 4 Klassik einzuschalten. Da wird die Aufzeichnung des Konzerts gesendet.