Jasmin Bayer Quintett | 09.03.2018

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Fast jeder tut es mittlerweile. Warum dann nicht auch eine Frau, die sich mit dem Griff zum Mikrofon schlicht einen lang gehegten Traum erfüllen will? Schauspieler sind schon von Berufs wegen zur Kreativität verpflichtet. Sie können in verschiedene Rollen schlüpfen, schaffen es, im Nu eine andere Identität anzunehmen und dürfen dabei viele verborgene Facetten ihres Ichs ausleben.

Beispiele – auch abschreckender Art – gäbe es genug: Ben Becker, Jürgen Vogel, Katja Riemann, Uwe Ochsenknecht, Ulrich Tukur, Ingo Naujoks, Scarlett Johansson, Robert Downey jr., Jeff Bridges, Hugh Laurie, Johnny Depp, Bruce Willis oder William Shatner. Einen kompletten Paradigmenwechsel haben bislang nur Westernhagen und Grönemeyer hinbekommen. Und nun vielleicht Jasmin Bayer. Die Absolventin des Lee Strasberg Instituts in Los Angeles kann auf eine veritable Karriere in diversen Fernsehfilmen und Krimiserien zurückblicken. Nach einer privaten Auszeit kehrte sie vor zwei Jahren auf die öffentliche Bühne zurück; in einem neuen Stück, das den großen Oberbegriff „Jazz“ trägt, als Sängerin, einer Traumrolle, die sie schon immer besetzen wollte. Zum ersten Mal jetzt auch im Neuburger „Birdland“.

Ohne jeden Zweifel: Sie macht das gut. Jasmin Bayer wirkt im nicht ganz vollen Hofapothekenkeller zu jeder Sekunde authentisch, kann mitreißen und zaubert mit ihrer Mischung aus Eleganz, Anmut, Leidenschaft, Hingabe sowie Songs zwischen Jazzstandards und bekannten Popthemen mit entsprechendem Wiedererkennungswert so manches Lächeln auf die Gesichter ihrer Zuhörer. Vor allem in leisen, intimen Passagen wie „Unforgettable“ immer dann, wenn sich ihre flexible, druckvolle Begleitcombo um Trompeten-Ikone Peter Tuscher, den Pianisten Davide Roberts, den Bassisten Markus Wagner sowie Drummer Christos Asonitis zurücknimmt und sie sich in die Emotionalität der wenigen Noten fallen lässt, dann hat die Spätstarterin ihre stärksten Momente. Man nimmt ihr den Schmerz, die Melancholie, aber auch die überschwängliche Freude zu jeder Sekunde ab. Ihre Stimme überzeugt mit einem warmen Ton, angeraut durch kleine härtere Spitzen und immer variabel im Ausdruck, was notwendigerweise von den Inhalten und ihrem lyrischen Flow herrührt.

Dieses Niveau kann Bayer freilich in den schnelleren, lauteren Stücken nur äußerst selten halten. Beim galoppierenden Blues „In Dire Straits“ oder der Ballade „Love Me Or Leave Me“ versucht sie, Intonationsprobleme mit Bühnenpräsenz auszugleichen. Sie arbeitet diese Songs körperlich ab und stellt sich neben ihrer Stimme aus. Das mag keineswegs ein Manko sein, denn einigen Kolleginnen würde eine Nuance mehr Dynamik in ihrem Gesangsvortrag mitunter ganz gut zu Gesicht stehen. Aber im konkreten Fall überdeckt diese Gabe allenfalls spärlich die kleinen, aber unverkennbaren Defizite im Vortrag – und allein darum geht es in einem Konzert.

Mancher Song ist auch schlicht eine Nummer zu groß. In „Still Crazy After All These Years“ glaubt man irgendwann angesichts der unnötigen Hektik, die Band und Sängerin entfachen, im Hintergrund Paul Simons beruhigende, unaufgeregte Stimme zu hören. Es sind generell die Vergleiche mit großen Vorbildern wie Shirley Bassey („Diamonds Are Forever“), mit denen sich Jasmin Bayer die Latte selbst unnötig hoch legt. Weil sie stimmlich, rhythmisch, organisch und vom ganzen Habitus her dabei eng bei den jeweiligen Originalen bleibt, anstatt nach eigenen Diamanten zu schürfen, bleibt der Eindruck in diesem Club der Hochkaräter ein zwiespältiger.