Tolles Motiv! Die Fotografen springen wie von der Tarantel gestochen auf. Mit der linken Hand spielt er zu „The Fox“ Piano, mit der Rechten drückt er im Sitzen die Ventile seiner Trompete. James Morrison kann das. Und er zeigt es auch. Wobei er sich diesmal dankenswerterweise mit der Posaune nur auf drei Instrumente beschränkt. Bei anderen Gelegenheiten sind es mehr.
Wir befinden uns nicht etwa im Chinesischen Staatszirkus, sondern im Neuburger Birdland-Jazzclub, einem Ort, an dem Kunststückchen normalerweise nur als Mittel zum Erreichen musikalischer Höchstleistungen eingesetzt werden. Bei Morrison ist das anders. Der 59-jährige Australier, der spätestens seit seinem Beitrag zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2000 in Sydney den Nimbus eines Superstars besitzt, zeigt seine multiplen Talente gerne. Er protzt keineswegs damit, sondern agiert selbstbewusst und charmant im bis auf den letzten Platz besetzten Hofapothekenkeller, um dem Publikum eine kurzweilige Show mit fliegenden Wechseln zwischen Hörnern und Tasten zu servieren. Ein Profi durch und durch. Macht er dabei überhaupt jemals einen Fehler? Gibt es möglicherweise ein Instrument, das er nicht so gut wie das andere beherrscht? Fragen wie diese muss man nicht unbedingt stellen, sie drängen sich aber irgendwann im Laufe eines kurzweiligen Abends auf.
James „Musikmaschine“ Morrison liefert in der Tat alles, was die Menschen offenbar von einem Jazzkonzert erwarten. Aber ist das wirklich der Jazz des 21. Jahrhunderts? Eine Kunst ist es zweifellos, was die vier da über zweieinhalb Stunden ausbreiten. Aber ist es auch künstlerisch wertvoll? Ein unwiderstehlich swingendes Programm mit einer hochprofessionellen Rhythmuscrew (Barfuß-Gitarrist Libor Smoldas sowie die beiden Jamie Cullum-Adlaten Geoff Gascoyne am Kontrabass und Sebastiaan de Krom an den Drums), immer mit dem richtigen Näschen für die Bedürfnisse derer, die sich alle Jubelmonate mal einen Besuch im Jazzclub gönnen. Die Songauswahl passt deshalb punktgenau. „On The Trail“ fließt elegant durch das Gewölbe, Luiz Bonfás „The Gentle Rain“ tickt milde wie der Sand am Strand von Ipanema, während Ellingtons „Take The A-Train“ völlig entschleunigt, fast bis auf das Standbild heruntergebremst, reizvolle Bluesfacetten offenbart. Ein überraschend ruhiges, fast innerliches Konzert, ganz dem intimen Rahmen angepasst, bei dem der als „Highnote-Blower“ bekannte Australier sich dezent zurückzunehmen weiß.
Aber auch das muss ein mit allen Wassern gewaschener Fuchs wie er draufhaben. James „Entertainmentmaschine“ Morrison beherrscht die hohe Kunst der Conference ebenso wie die Dramaturgie eines solchen Abends. Eine Zugabe, dann ist Schluss. „Unglaublich!“ „Sternstunde!“ „Sagenhaft!“ Ob die Leute nächste Woche wiederkommen? Fragen über Fragen…