James Moody Quartet | 22.02.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein Kauz hält Hof: das Notenblatt verkehrt herum auf dem Ständer, der brummelnd-jodelnde Nuschelgesang oder die haarsträubenden Geschichten über „Antonio Carlos Jobim the first“, der zusammen mit Columbus Amerika entdeckt haben soll. Macht sich James Moody etwa einen Spaß aus seinem mit Spannung erwarteten Konzert im Neuburger „Birdland“-Jazzkeller oder meint er es vielleicht ernst?

Immerhin wissen die Fans ja von seiner unstillbaren Liebe zu Frank Sinatra und den Werken des populären Film-Komponisten Henry Mancini, denen die bald 72jährige Bebop-Legende aus Savannah/Georgia auch ihre jüngsten beiden Alben widmete. Warum, um alles in der Welt, schnoddert Moody dann aber fast heilige Evergreens wie „Love and married“ (die „Al Bundy“-Erkennungsmelodie), „Young at heart“ oder „Pennies from heaven“ (in der Neuburg-Version „Bennie`s from heaven“ als Antwort einer Soldatenbraut, die ihren heimkehrenden Mann mit einem Kind überrascht) derart despektierlich, oder besser gesagt, fast merkwürdig herunter? Weshalb singt er überhaupt, anstatt dem ausverkauften Hofapothekenkeller mehr Kostproben seines unnachahmlichen Flötenspieles zu schenken?

Aus dem gereiften James Moody schlau zu werden, fällt wahrlich alles andere als leicht. Der Mann beherrscht im Prinzip jedes Saxophon vom Sopran über das Alt bis zum Tenor und verfügt über einen eigenen, allzeit erkennbaren Sound sowie ein instinktives Gefühl für Swing. Außerdem erwarb er sich im Laufe seiner jahrzehntelangen Freundschaft mit Dizzy Gillespie unschätzbare Verdienste in der Entwicklung der Populärmusik des 20. Jahrhunderts. Doch Moody ist in erster Linie ein US-Künstler. Und diese Spezies gewichtet eben das Showelement mindestens genauso stark, wie die Kreativität, ganz gleich, ob einer nun zum Entertainer taugt oder nicht.

James Moodys Unterhaltungsversuche (siehe oben) verblüffen zunächst, wobei der Stimmungspegel nach einigen Sekunden des Überlegens (gezielte Absicht oder peinliches Versehen?) in wohlwollende Heiterkeit umschlägt. Gleichwohl: ein schlauer Musikschalk wie er muß sein Publikum mit einem abgestimmten Mix zwischen Slapstick und perfekten solistischen Darbietungen bei Laune halten. Wie groß war doch die Überraschung, als das „Chamäleon Moody“ (so sein Spitzname in der Branche) plötzlich aus „Charade“ mit dem Soprano eine rollend-frische, kantige Postbop-Nummer bester coltrane`scher Prägung strickte oder Mancinis „Pink Panther“ an der Querflöte von einem samtpfötigen Zeichentrick-Kätzchen in ein gefährlich fauchendes Blues-Raubtier verwandelte.

Wem der musikalische Aspekt stärker als die holprige Komik am Herzen lag, der hatte noch an Cedar Waltons „Firm Roots“ (mit einem mächtig brummendem Tenorsax) sowie an der introvertierten Ballade „Two little Pearls“ seine helle Freude. Ein Verdienst nicht zuletzt des hochkarätigen Begleittrios, das auch ohne seinen Star problemlos jeden Jazzkeller füllen könnte: Adam Nußbaum, der perfekte Energieleiter am Schlagzeug, Todd Coolman, die neue Topadresse unter New Yorks Bassisten mit traumhaften Walking-Linien, sowie der vor allem als Orchesterleiter und Produzent bekannte Gil Goldstein an Piano und Keyboard. Dessen einfühlsame, James Moody wie auf den untersetzten Leib geschnittene Arrangements entschädigten letztlich doch noch für so manche seltsame Nebenerscheinung bei einem typischen Jazzgig alter amerikanischer Prägung.