Einmal Schlagerstar, immer Schlagerstar: Catherina Valente trägt dieses unrühmliche Brandzeichen seit den 50ern wie ein Kainsmal auf der Stirn, und bei Greetje Kauffeld ist dies nicht anders. Die beiden, und mit ihnen viele andere exzellente Jazzsängerinnen, verfluchen längst den Tag, an dem sie ihr Talent, wenn auch nur für bestimmte Zeit, in jenen trüb-sulzigen Schmalztiegel der Trivialkultur warfen. Die allgewaltigen Kritiker und Produzenten setzen dies mit dem künstlerischen Offenbarungseid gleich.
Doch während die Valente längst den Kampf gegen ihren mißliebigen Status aufgegeben hat, ringt die Kauffeld wieder mit Verve und Opferbereitschaft um die abhanden gekommene Reputation in ihrem angestammten Genre. Der Erfolg ihrer aktuellen (Jazz-) Platten, aber auch die ganz erstaunlichen Reaktionen auf ihr jüngstes Konzert im Neuburger „Birdland“ scheinen der freundlichen, alterslosen Holländerin Recht zu geben. Ja mehr noch: die „Grande Dame“ aus Rotterdam entpuppt sich mit ihrer hinreißenden (wiewohl eher solide strukturierten) Show 1997 als wohltuende Alternative zu manchen verkrampften Innovationsversuchen der selbsternannten jungdynamischen Erneuerer.
Wer könnte sich auch Greetje Kauffelds immer noch mädchenhaftem Organ, ihrer unaufdringlichen Bühnenpräsenz entziehen? Die Frau steht für einen längst als vernachlässigbar abgeschüttelten Qualitätsbegriff, der sich auf eine fundierte Ausbildung stützt und die absolut professionelle Einstellung beinhaltet, alle, selbst die unter schlechteren Sternen stehenden Auftritte mit geradezu leidenschaftlicher Hingabe zu zelebrieren. In jeder Viertelnote ringt die niederländische Chanteuse um den optimalen Ausdruck, rattert keinesfalls bloß ihren Text herunter, sondern versucht vielmehr, jedes einzelne Wort genau zu prononcieren, sich die Lyrics von Ira Gershwin, Jon Hendricks oder Doris Day auf ganz persönliche Weise zueigen zu machen.
Im Bemühen um eine solch intime Vortragsweise kommt Greetje Kauffeld die immense Beweglichkeit ihrer warmen und glockenklaren Stimme natürlich zupass. Mit makelloser Intonation gleitet sie souverän durch alle Register ihres besonders nach oben hin gewaltigen Spektrums, scatet frivol und rhythmisch sicher im Unisono neben der rechten Hand des einfühlsamen Pianisten Hubert Nuß oder sorgt innerhalb von Sekunden für knisterndes Flair mit ihren zahlreichen anrührenden Balladen, ohne sich wie andere Kolleginnen gleich hinter dem geschmackvollen Baß und den einfühlsamen Besenfils ihrer Landsleute Paul Imm und Hans Braber zu verstecken.
Überhaupt: ihre ganz große Domäne ist die Stille, das behutsame An-die-Hand-nehmen, das Innehalten und Besinnen. Wenn die Kauffeld „The Shadow of your Smile“, „Shiny Stockings“, „I remember Clifford“ oder „Do you know what it means to miss New Orleans“ interpretiert, verlieren die Uralt-Schlachtrösser jeden Makel der Abgedroschenheit. Mit seltenem Einfühlungsvermögen und allein mit Hilfe ihrer vokalen Autorität strickt sie daraus völlig neue Songs. Eine Leistung, die ihr die konzentrierte Zuhörerschar im „Birdland“ mit (was selten genug vorkommt!) minutenlangem Applaus und nicht enden wollenden Zugaberufen honorierte. Greetje Kauffeld hat es in der Tat verdient, nach 40 Jahren harter, ehrlicher Arbeit als die europäische Ella bezeichnet zu werden.