James „Blood“ Ulmer – Solo | 26.06.2021

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ein einzelner Mann auf der Bühne, lebenserfahren, weise, abgeklärt, dennoch voller Energie, die pure Gegenwart des Blues. James „Blood“ Ulmer gab sich die Ehre im Neuburger Birdland. Allein mit sich und seiner Gitarre zelebrierte der 79jährige, was am Anfang stand: Die unmittelbare Kraft von Emotion und Kreativität!

Eigenwillig, kantig und keiner Schublade zuzuordnen sein Gitarrenspiel, voller Überraschungen und kleiner Kapriolen; mehr dem Ausdruck als der Textverständlichkeit verpflichtet sein Gesang, dem Shout und Black Talk näher als dem Wohlklang, wie es sich im Blues gehört. Seit 60 Jahren ist James »Blood« Ulmer Profimusiker, spielte in den frühen 70ern in Minton‘s Playhouse, der legendären Geburtsstätte des Bebop, war bei Art Blakey, kooperierte mit Paul Bley, Joe Henderson und vor allem Ornette Coleman, dem großen Pionier des freien Jazz. Ein langer Weg vom Gospelchor zur Avantgarde und zur eigenen, unverwechselbaren, durchaus sperrigen Stilistik.

Im Birdland bestach sein Konzert – ein mehr als eineinhalbstündiges Set ohne Pause, ohne Netz und doppelten Boden – durch Authentizität, Herzblut und die unbeirrbare Geradlinigkeit eines Mannes, der bei allem Freiheitsdrang nie den Boden unter den Füßen verloren hat. Minimalistisch, knapp und erdverbunden, von unprätenziöser Direktheit und abgeklärter Kunstfertigkeit schöpft sein Spiel mit wohl dosiertem WahWah-Einsatz und sparsamen Lagenwechsel aus der Quelle jenes Flusses, der das schmerzerfüllte Dasein des Menschen ins Bewusstsein ruft, so zutiefst der Menschlichkeit verpflichtet.

Ulmer sprengt die Ketten überkommener Songstrukturen, gängiger harmonischer Logik und verbindlicher Genrevorgaben. Mit jener unspektakulär aufblitzenden Virtuosität, die sich der Erfahrung langer Jahre verdankt, ist er im Delta Blues ebenso zu Hause wie im elektrischen Sound der Städte, dem funky Soul der wilden Jahre und dem freien Spiel der Kräfte. James „Blood“ Ulmer versteht sich dabei seit je mit jedem Ton als politischer Musiker mit ureigenem Kommentar zum Zeitgeschehen. Fürwahr: Black music matters!