International Stride Piano Summit | 23.10.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Leicht, flüssig, elegant und tänzerisch: Alle guten Tugenden des Jazz der 20er, 30er und frühen 40er vereinten sich in 40 Fingern an 166 Tasten. Mit dem International Stride Piano Summit gab der Birdland Jazzclub den Auftakt eines neuerlichen kleinen Festivals, das als „Oktober-Special“ im Ingolstädter Audiforum und im Neuburger Jazzkeller in den Vorjahren bereits mehrfach für einen herbstlichen Saisonhöhepunkt sorgen konnte.

Der „klassische“ Stride-Piano-Stil entstand in den 20er Jahren vor Allem im New Yorker Stadtteil Harlem. Seine Wurzeln liegen im Ragtime, von dem sich das Stride-Piano jedoch deutlich unterscheidet, zumal in einem wesentlichen Punkt: Ragtimes sind auskomponiert, Stride ist ein früher Improvisationsstil, der ausgehend von Fats Waller, James P. Johnson oder Willie „The Lion“ Smith letztlich alle Jazzpianisten bis heute direkt oder indirekt beeinflusst hat. In den relativ engen Grenzen dieser stark formalisierten Stilistik mit den allseits bekannten Melodien der einschlägigen Standards einen ganzen Abend lang sein Publikum zu unterhalten, dazu gehört nicht nur die virtuose Beherrschung eines Instruments. Die vier Pianisten Chris Hopkins (Princeton, N.J.), Bernd Lhotzky (München), Rossano Sportiello (Mailand) sowie vor Allem Altmeister Dick Hyman (New York) zeigten in abwechslungsreichen Soli und Duetten, wie sich auch zwischen geraden Taktstrichen jede Menge improvisatorisches Leben entfalten kann von „Seven Come Eleven“ über „Ain’t Misbehavin'“ bis hin zu „Summertime“ oder „The Man I Love“. Mit einer Dynamik, die um die Kraft leichter Anschlagsnuancen weiß, charmant bis in die kleinste 62stel Note und in perlendem Fluss weisen sie den Hits der guten alten Zeit einen stimmigen Weg in die Gegenwart. Es kommt eben gar nicht darauf an, wann die Tradition aufhört und die Moderne beginnt, sondern darauf, wie intensiv Musik lebt, egal in welchem Genre. Und was Dick Hyman nach der Pause ins modernistische Rund des Audiforums zaubert, gehört zu den großen Momenten des Jazz. Zum guten Schluss saßen sie dann alle vier zugleich an den zwei Flügeln und warfen sich die Bälle zu in einvernehmlicher Liebe zu einer Musik, die so viel Leben enthält wie eh und je.