Old Time Jazz, Swing und Dixieland haben derzeit Konjunktur. Große Ensembles wie die Dutch Swing College Band oder die Barrelhouse Jazzband feiern runde Jubiläen, sogar an sich jazzferne Künstler wie ganz aktuell der Bluessänger Taj Mahal nehmen sich des frühen Jazz aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, im Ingolstädter Audi Forum geben sie sich quasi die Klinke in die Hand und auch im Neuburger Birdland Jazzclub stehen in letzter Zeit immer wieder gehäuft Konzerte unter dem Motto „Traditional“.
Es gibt ein erstaunlich großes Publikum für diese frühe Form des Jazz, wie das Konzert des International Hot Jazz Quartets beweist. Von Anfang an ist klar, was für die nächsten zwei Stunden geplant ist. Zumindest von Seiten des Bandleaders, Klarinettisten und Saxofonisten Engelbert Wrobel. „Wir manchen uns ganz einfach einen schönen Abend!“ sagt er nach der ersten Nummer, die bezeichnenderweise den Titel „Havin‘ A Ball“ trägt, und leistet mit seinen launischen Ansagen anschließend einen entscheidenden Beitrag dazu, dass es ein solcher auch tatsächlich wird. Und weil die Band zudem auch in musikalischer Hinsicht einen wirklich guten Tag erwischt hat, springt das Publikum, das nach diesem spritzigen Feuerwerk der guten Laune am Ende zwei Zugaben fordern wird, auch sofort auf das Quartett an.
Viele vergleichbare Bands überzeugen nicht nur durch ihren professionellen und souveränen Umgang mit dem musikalischen Erbe, sondern auch durch überlegt durchorganisierte Shows, durch über die Jahre erprobte und für gut befundene Abläufe und durch eine Setlist, die auf Bekanntes setzt und Standards auf eher behutsame Weise neu interpretiert. Das alles gilt auch für dieses Quartett, dem neben Wrobel der Trompeter und Sänger Duke Heitger, der Pianist Paulo Alderighi und der Schlagzeuger Bernard Flegar angehören, wobei dieser Abend aber dann doch ein ganz besonderer wird. Vor allem im Mittelteil des Konzerts nämlich graben die Musiker das aus, was man als „den letzten Tick“ bezeichnen könnte, was den Unterschied zu vielen ihrer Kollegen ausmacht. Diese entscheidende Phase beginnt mit der sagenhaften Improvisation Paulo Alderighi’s über Jerome Kern’s „Old Man River“, in der er seine enorme Vielseitigkeit zur Schau stellt. Sie umfasst Sidney Bechet’s „Si Tu Vois Ma Mère“, Louis Armstrong’s „Swing That Music“ und den „Mississippi Rag“ von 1897, der ältesten Nummer des Abends und der ersten des Jazz überhaupt, die je auf Notenpapier erschien. „Alle unsere Stücke sind alt“, erklärt Wrobel ganz lapidar, „aber das ist so alt, das geht schon in Richtung Mozart“. Worauf hin er mit dem Original Lester Young-Solo über Gershwin’s „Oh, Lady Be Good“ sein Meisterstück abliefert.
Nun gut, „When The Saints Go Marching In“ in der ersten Zugabe mag nicht sonderlich originell sein, aber trotzdem ist der Abend einer, an dem es einfach „passt“, an dem der nicht messbare aber dafür fühlbare Unterschied zwischen „exakt“ und „tight“ zu Tage tritt. Man kann mitunter nur unzureichend erklären, warum einen ein Konzert über weite Strecken so im Innersten packt. Aber man kann es spüren. An diesem Abend tut man genau dies besonders intensiv.