International Hot Jazz Quartet | 18.03.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Old Time Jazz, Swing und Dixieland haben derzeit Konjunktur. Große Ensembles wie die Dutch Swing College Band oder die Barrelhouse Jazz­band feiern runde Jubiläen, sogar an sich jazzferne Künstler wie ganz aktuell der Bluessänger Taj Mahal nehmen sich des frühen Jazz aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, im Ingolstädter Audi Forum geben sie sich quasi die Klinke in die Hand und auch im Neuburger Bird­land Jazzclub stehen in letzter Zeit im­mer wieder gehäuft Konzerte unter dem Motto „Traditional“.

Es gibt ein erstaunlich großes Pu­blikum für diese frühe Form des Jazz, wie das Konzert des International Hot Jazz Quar­tets beweist. Von Anfang an ist klar, was für die nächsten zwei Stunden geplant ist. Zumindest von Seiten des Bandlea­ders, Klarinettisten und Saxofo­nisten En­gelbert Wrobel. „Wir manchen uns ganz einfach einen schönen Abend!“ sagt er nach der ersten Nummer, die bezeich­nenderweise den Titel „Havin‘ A Ball“ trägt, und leistet mit seinen launi­schen Ansagen anschließend einen entscheid­enden Beitrag dazu, dass es ein solcher auch tatsächlich wird. Und weil die Band zudem auch in musikalischer Hinsicht einen wirklich guten Tag erwi­scht hat, springt das Publikum, das nach diesem spritzigen Feuerwerk der guten Laune am Ende zwei Zugaben fordern wird, auch sofort auf das Quartett an.

Viele vergleichbare Bands überzeugen nicht nur durch ihren professionellen und souveränen Umgang mit dem musikali­schen Erbe, sondern auch durch überlegt durchorganisierte Shows, durch über die Jahre erprobte und für gut befundene Ab­läufe und durch eine Setlist, die auf Be­kanntes setzt und Standards auf eher be­hutsame Weise neu interpretiert. Das al­les gilt auch für dieses Quartett, dem ne­ben Wrobel der Trompeter und Sänger Duke Heitger, der Pianist Paulo Alderig­hi und der Schlagzeuger Bernard Flegar angehören, wobei dieser Abend aber dann doch ein ganz besonderer wird. Vor allem im Mittelteil des Kon­zerts nämlich graben die Musiker das aus, was man als „den letzten Tick“ be­zeichnen könnte, was den Unterschied zu vielen ihrer Kol­legen ausmacht. Diese entscheidende Phase beginnt mit der sa­genhaften Im­provisation Paulo Alderig­hi’s über Jero­me Kern’s „Old Man River“, in der er seine enorme Vielseitig­keit zur Schau stellt. Sie umfasst Sidney Bechet’s „Si Tu Vois Ma Mère“, Louis Armstrong’s „Swing That Music“ und den „Mississip­pi Rag“ von 1897, der äl­testen Nummer des Abends und der ers­ten des Jazz über­haupt, die je auf Noten­papier erschien. „Alle unsere Stücke sind alt“, erklärt Wrobel ganz lapidar, „aber das ist so alt, das geht schon in Richtung Mozart“. Worauf hin er mit dem Original Lester Young-Solo über Gershwin’s „Oh, Lady Be Good“ sein Meisterstück ablie­fert.

Nun gut, „When The Saints Go Mar­ching In“ in der ersten Zugabe mag nicht sonderlich originell sein, aber trotzdem ist der Abend einer, an dem es einfach „passt“, an dem der nicht messbare aber dafür fühlbare Unterschied zwischen „exakt“ und „tight“ zu Tage tritt. Man kann mitunter nur unzurei­chend erklär­en, warum einen ein Konzert über weite Strecken so im Innersten packt. Aber man kann es spüren. An diesem Abend tut man genau dies besonders intensiv.