Die Barrelhouse Jazzband zu Gast im Audi Forum? Ja, und das nicht zum ersten Mal, was seine seine guten Gründe hat. Zum einen ist das 1953 in Frankfurt/Main gegründete Septett die dienstälteste und zugleich erfolgreichste Band Deutschlands, was Traditional Jazz, New Orleans-Jazz und Swing anbelangt, zum anderen spielt die Band „ihre“ Musik bei jedem Auftritt mit einer erstaunlichen Frische, so dass man diesen Stücken ihr Alter – wüsste man es nicht besser – gar nicht anmerken würde. So klingen hundert Jahre Jazzgeschichte, nachdem sie behutsam, liebevoll und von Meisterhand abgestaubt wurden.
Barrel. – Der Begriff taucht immer dann auf, wenn es um Erdölfördermengen geht, ist aber ungleich geschichtsträchtiger. Barrels waren auch die Fässer, aus denen einst in den Kneipen für Afroamerikaner im Südosten der USA Alkohol ausgeschenkt wurde. Das geschah in den „Barrelhouses“, berüchtigten Spelunken, in denen es ziemlich wild herging. Über die Barrelhouse-Pianisten und ihre Musik, eine Art Vorläufer es Boogie Woogie, fand er Verbreitung, wurde zu einer frühen Sparte des Jazz, fand später Eingang in die vornehmen Ballrooms der Metropolen und wurde schließlich auch Namensgeber für die Band, die da an diesem Abend im Rahmen ihrer Jubiläums-Tour zum 70. Geburtstag im Audi Forum zu Gast ist.
Immer wieder wird die Bühne in ein schwülstiges Rot getaucht, was – ob Zufall oder nicht – ganz gut zum nicht ganz einwandfreien Ruf der einstigen Barrelhouses passt und natürlich auch zu den altehrwürdigen Stücken des Abends. Reimer von Essen (Klarinette, Moderation), Frank Selten (Saxophone), Horst Schwarz, Posaune, Trompete), Christof Sänger (Klavier), Roma Klöckner (Banjo, Gitarre), Michael Ehret (Schlagzeug) und Lindy Huppertsberg (Kontrabass), die Herren stilecht ausgestattet mit dunklem Anzug und blitzblank gewienertem Schuhwerk, kriegen den Spagat zwischen dem historischen Vergnügungsviertel der Crescent City und dem modernen, vergleichsweise doch eher nüchternen Ambiente des Audi Forums absolut überzeugend hin. Wer für diese Musik schwärmt – und das sind, dem erfreulichen Zuschauerzuspruch nach zu urteilen, nicht wenige – kann an diesem Abend in der Tat ein Vollbad nehmen. Mit Ella Fitzgerald, Duke Ellington, Fats Waller, King Oliver und Jelly Roll Morton sowie „The Muscrat Rumble“, „Caravan“ und dem „Royal Garden Blues“ ist das Programm gespickt mit großen Namen und legendären Kompositionen, in dem einzig Paul McCartney’s „Let It Be“ wie ein Fremdkörper wirkt.
Auf den Gast des Abends, den Sopransaxofonisten Olivier Franc aus Paris trifft das hingegen absolut nicht zu. Wenn er den Schwerpunkt auf Sidney Bechet, dessen „Petite Fleur“ und von ihm früh adaptierte Klassiker wie Gershwin’s „Summertime“ legt, geht förmlich ein Ruck durch die ganze Mannschaft, die Intensität der Performance erreicht ein neues Level und es stellen sich Momente ein, in denen die Band tatsächlich – recht gut passend zum „Barrel“ im Namen – ein Fass aufmacht.