Unter dem Begriff Postmoderne lässt sich so ziemlich alles subsummieren, was seit den 80ern in Kunst und Poesie, Design und Theater, Literatur und Musik vor sich geht: Aller Kategorien bar, aller Schubladen ledig, allen Vorurteilen voraus, zuweilen auch allzu gefallsüchtig dem Zeitgeist hinterher hinkend. Letzteres nicht in diesem Fall! Ingrid Laubrock, raus aus der Provinz vor langen Jahren, von Stadtlohn im Münsterland über London nach New York, from farmgirl to fabulous in selbstironischer Reflexion, und laut Jury des SWR Jazzpreises 2009 eine der kreativsten und eigenwilligsten Künstlerinnen des deutschen Jazz, lud im Neuburger Birdland zur überaus anregenden Betrachtung eines vielgestaltigen, bunten, faszinierenden musikalischen Kaleidoskops. Aus vielen kleinen, glänzenden Elementen, neugierig und selbstbewusst, intelligent und unbefangen, inspiriert von Charlie Parker, Thelonious Monk, Sonny Rollins, Anthony Braxton und den aktuellen Impulsen der Downtown Avantgarde ergab sich ein schlüssiges Bild des Jazz unserer Tage. Hermetische Grooves in unverhofft wechselnden Tempi, harmonische Offenheit, schillernde Sounds, griffige Riffs, weite Exkurse ins Ungewisse, vorsichtiges Herantasten an Grenzen und ungestümes Hinwegsetzen über althergebrachte Konventionen, so es denn solche überhaupt noch gibt im heutigen Jazzgeschehen, aber da ruft ja schließlich immer wieder jemand nach der Jazzpolizei und der Restauration der guten alten Zeit!
Angesichts solcher Musik jedoch bleiben die hartgesottenen Hardliner der unverdrossenen Traditionspflege merkwürdig zahnlos und haben weder dem unverkennbaren Geschichtsbewusstsein der Akteure noch deren unmittelbar fesselnden, kreativen musikalischen Substanz irgendetwas hinterher zu rufen.
Eine All Star Band der jungen Avantgarde stand da auf der Bühne des Kellers unter der Hofapotheke in der Neuburger Altstadt. Mit dem phantasiebegabten und bogensicheren John Hébert am Bass und dem filigran trommelnden Tom Rainey am Schlagzeug wirkte eine seit Jahren trefflich bewährte Rhythmus Crew. Im Vordergrund musizierten drei sehr bemerkenswerte Frauen, die quecksilbrige Kris Davis am Flügel, die eigenwillige Mary Halvorson an der Gitarre und die grandios aufspielende Ingrid Laubrock am Tenorsaxophon: Cup in a Tea Storm. Grandiose Musik mit ganz eigenem Kopf, Strong Women at a Strong Place! Eins ist sicher: Wer in keine Schublade passt, bringt die Welt schneller voran als jene, die immer nur im Mainstream ihre Runden drehen. Das setzt der Beliebigkeit ein kantiges, klares Bild entgegen. Gut so!