Hugo Siegmeth Ensemble | 11.12.2009

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Größtmögliche Offenheit, maximale Transparenz! In einem Quartett ohne Harmonieinstrument lotete der Münchener Saxophonist und Klarinettist Hugo Siegmeth im Neuburger Birdland Jazzclub musikalische Freiräume aus, erfüllt mit Inspirationen vom Balkan und vom Zauber der Welt des Jazz. Wie kaum einem anderen Saxophonisten gelingt es Siegmeth, Bilder entstehen zu lassen, die lang im Gedächtnis bleiben.

Hugo Siegmeth stammt aus dem rumänischen Banat. Als die Familie nach Deutschland zog, war er gerade sechs, so dass er kein Rumänisch spricht. Trotzdem macht es ihm Freude, sich rumänische Titel für seine Kompositionen auszudenken. Siegmeth geht mit seinem frühkindlichen Migrantenschicksal offen und optimistisch um, übersetzt das, was viele als Trauma verschweigen, in kreative Energie. Die Kompositionen nähren sich aus der rumänischen Folkore, deren Tänze und Lieder Siegmeth zum Teil unmittelbar, zum Teil als Grundlage für eigene Stücke aufgreift und in improvisatorischen Exkursen ausreizt, vom sanften, melodiösen „Neujahrslied“ bis zum wilden Ritt durch „Lumea fermetca“, die „Verzauberte Welt“. Dabei hat Siegmeth mit dem überaus wendigen, originellen und in spritziger Schräglage aufspielenden Nürnberger Posaunisten einen Partner von allererster Klasse. Wie sich die Instrumente der beiden Solisten reiben, ergänzen, umkreisen, voneinander abheben und zusammenfinden im Unisono, in zweistimmiger Kontrapunktik und im fordernden Call and Response, das hat Kraft, Farbe, Klasse! Bastian Jütte spielt ein lautmalerisches Schlagzeug, setzt feine rhythmische Tupfer und klare Impulse mit Fingerspitzengefühl. Henning Sieverts spielt Kontrabass und Cello mit gewohnt intelligenter Würze und flexibler Gestaltungskraft. Hugo Siemeths offener, farbenreicher, kräftiger Sound, seine mal quirlige, dann wieder magisch-mystische Ruhe ausstrahlende Phrasierung rufen Bilder wach, die lange haften bleiben: Man fühlt sich mitten im Trubel, dem wilden Leben und der Ruhe nach dem Sturm in Stankutzas Hütte „La Bordei“, wo schon so mancher Haus und Hof verlor, oder im märchenhaften Sommer am „Kaul“ dem rumänischen Dorfteich. Die Musik verändert zwar immer wieder Aggregatszustand, Dichte und spezifisches Gewicht in mal quecksilbrigem Fluss, mal fast zum Stillstand kommendem Verharren. Bei aller Freiheit und Offenheit verliert sie jedoch niemals ihre Struktur und ihre Klarheit, ein bilderreicher Reigen, mal bunt, quirlig, sonnig, mal meditativ, beruhigend, in sich gekehrt, immer inspirierend.