Howard Levy – Anthony Molinaro | 30.04.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Mundharmonika und Jazz, klare Sache: schmusige Sounds mit swingender Eleganz, was für’s Gemüt, Toots Thielemans und Hendrik Meurkens lassen grüßen. Weit gefehlt, zumindest im Fall Howard Levys! Der Grammy-geschmückte Chicagoer Komponist, Pianist und vor Allem virtuose Mundharmonikaspieler stellte gemeinsam mit Anthony Molinaro am Bösendorfer unter Beweis, dass das unscheinbare Lagerfeuerinstrument durchaus zu ganzen Breitseiten von improvisatorischem Feuer taugt.

Die anspruchsvollen Kompositionen nehmen ihre Anleihen bei Bach, Mozart und Debussy ebenso wie bei Fats Waller, Errol Garner, Thelonious Monk, Miles Davis oder Cecil Taylor. Levy und Molinaro setzen bemerkenswerte Akzente, wie ein Duo aus Piano und Mundharmonika im zeitgenössischen Kontext mehr als nur bestehen kann. Groove und Blues, Attacke und Biss, Amazing Grace auf Eisenbahnschienen und hart geblasene Bebop-Linien, verblockte Akkorde und straight walkende Ostinati, in sich gekehrte Klangbilder von lautmalerischer Fülle und heftige Explosionen, Goldberg und Gershwin, Swing und modale Improvisation, „All Blues“ und „Someone to Watch Over Me“, der Abend, den die beiden unter den Augen des Fernsehteams des BR-Rundschau Magazin bestreiten, lässt nichts missen, was guten Jazz zum Abenteuer macht. Die Mundharmonika hält erstaunlich variable Sounds auf Lager vom Dudelsack über die Geige bis zum Saxophon, das Piano überrascht immer wieder mit unerwarteten Ausflügen über den Tellerrand hinaus. Dabei klappt das Wechselspiel der beiden Protagonisten völlig reibungslos, jeder steht mal im Vordergrund, jeder legt mal die Basis für den Anderen. So geraten die „Sketches“ und die mit ihnen verbundenen „Rhythm Changes“ zu einer wunderbaren Demonstration darüber, wie überflüssig vorgefasste Meinungen doch sind.

Sendetermin des Berichts aus dem Neuburger Birdland Jazzclub im Rundschau Magazin des Bayerischen Fernsehens kommenden Freitag, 6. Mai um 21.15 Uhr.