Great Guitars | 05.05.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Das Durchschnittsalter befindet sich massiv im Sinkflug. So jung, wie bei ihrer mittlerweile fünften Visite im Neuburger „Birdland“-Jazzclub waren die „Great Guitars“ nämlich noch nie.

Das liegt in erster Linie an Howard Alden, der gerade mal 47 Jahre auf dem Buckel hat. Der Jugendlichste, der je in diesem fluktuierenden Trio der grauen Saitenzupferpanther aufmarschierte. Seine „Partners in Crime“ an diesem duftigen, federleichten Abend zählen dagegen fast das Doppelte: Mike Magnelli ist 74 und Bucky Pizzarelli sogar schon 79. Aber selbst wenn vergangene Formationen im Hofapothekenkeller mit längst verstorbenen Heroen wie Herb Ellis, Tal Farlow oder Charlie Byrd wesentlich prominenter besetzt waren: Sie klangen oft nicht annähernd so frisch wie diese Besetzung, die Alden nun auch äußerlich in den Jungbrunnen gezogen hat.

Links auf der Bühne sitzend, scheint er zunächst auch Tempo und Dramaturgie zu dirigieren. Auf seiner Siebensaitigen setzt der Benjamin rasante Maßstäbe mit halsbrecherischen Grifffolgen und lässt „Tears“ von Django Reinhardt eine unüberhörbar amerikanische Deutung des großen europäischen Gitarrenhexers angedeihen. Ganz rechts thront Mike Magnelli; ein gemütlicher, gleichwohl feiner und behutsamer Techniker, dessen matt schimmernde Solominiaturen wie ein unablässig sprudelnder Quell voll melodischer Leichtigkeit anmuten. Der Mann, der vor drei Jahrzehnten sogar als musikalischer Direktor des Broadway-Musicals „Grease“ mit John Travolta fungierte, darf an diesem Abend viel spielen. Dennoch agiert er weitgehend für sich selbst.

Denn die großen Duos, die kleinen Duelle, Frage- und Antwortspiele haben sich Alden und der unvergleichliche Bucky Pizzarrelli reserviert. Der Senior lässt es gemütlich angehen: Zunächst zwei, drei Songs lang die Atmosphäre des Kellers testen, bevor es richtig auf´s Gaspedal geht. Erst in Charlie Christians „Seven Come Eleven“, wo er wie ein Cowboy dem Sonnenuntergang entgegen galoppiert, während ihm sein Partner lauter bunte Singlenote-Blumen an die Satteltasche heftet. Dann im launigen „Jitterbug Waltz“, bei dem der 79-Jährige mit flüssigen, sparsam durch Akkordeinstreuungen aufgelockerten Linien und herzhaft gedroschenen Akkorden für Hallowach-Effekte sorgt. Ein unglaubliches Energiebündel.

Und Bucky flirtet mit dem Publikum auf Teufel komm raus. Er lächelt, zwinkert, albert und klampft sich schlicht göttlich durch das überaus anspruchsvolle Programm. Es sind vor allem diese kongenialen Zwiegespräche mit dem jungen Alden, diese weisen, niemals geschwätzigen Dialoge der Generationen, die jedes Ohr automatisch auf Empfang stellen. Wenn es so etwas wie Philosophie in Gitarrensprache gäbe, wären diese beiden die perfekten Protagonisten. Im leisen „Snowfall“ glaubt man sogar, jede Flocke auf der Nasenspitze zu spüren, ein Gassenhauer wie „Honeysuckle Rose“ dagegen muss einfach die Füße bewegen, um seinen tieferen Sinn zu erfüllen.

Es trägt etwas von des Gelöstheit eines Stride-Pianos. Etwas Hüpfendes, Anregendes und Entspannendes zugleich. Kein Altherrenjazz, sondern zeitlose Extraklasse. Das honoriert auch der ausverkaufte Hofapothekenkeller mit frenetischem Beifall. Und spontanen Fotos von den Tischen. Cheese! Selbst darauf fällt den „Great Guitars“ aber noch die passende Antwort ein: Howard Alden holt seinen Fotoapparat und knipst von der Bühne einfach zurück. Tolles Publikum. Cheese! Blitz!