Hot Club De Rotterdam | 22.09.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Die vier rüstigen holländischen Gentlemen als die Dinosaurier des europäischen Jazz zu bezeichnen, darf weißgott keinesfalls als Beleidigung verstanden werden. Denn neben der fürwahr erstaunlichen Lebensdauer der Gruppe von über einem halben Jahrhundert (!) nötigt vor allem der immer noch enorm hohe musikalische Standart des Quartetts aus dem Land der Grachten allergrößten Respekt ab. Beim „Hotclub de Rotterdam“, der am vergangenen Freitag im einmal mehr ausverkauften Neuburger Birdland-Jazzclub gastierte, verhält es sich nämlich wie beim Wein: mit dem Alter kommt erst die Reife – der der richtige Swing.

Die Namensparallelle zum legendären „Quintette du Hotclub de France“ mit Django Reinhardt und Stephane Grappelli, das in der 30er Jahren für eine wahre musikalische Revolution in den Pariser Nachtclubs sorgte, stammt nicht von ungefähr. Für die Gitarristen Dick van Male und John van der Aa, die Geiger Freddy Rietdijk sowie den Bassisten Simon Willemse aus Rotterdam existierte seit Ende des Zweiten Weltkrieges nur der Gedanke, selbst ein Ensemble im Stile der feurigen Franzosen aufzubauen. Daß seit dem ersten offiziellen Konzert vor der „4th Canadien Field Ambulance“ 1945 bis zur ersten Tournee durch Süddeutschland eine derart lange Zeit vergehen mußte, wirkt angesichts der Vitalität, Frische und Spielfreude, mit der sich die Musiker im gesetzten Rentner- bis Greisenalter nach Auftritten in Erlangen und Schrobenhausen nun im Hofapotheken-Keller vorstellten, nahezu unvorstellbar.

Mit der Routine von fast 300 Jahren auf dem Buckel ergeht sich die niederländische Hotclub-Variante keinesfalls in rhythmischer Steifheit. Die liebgewonnenen Evergreens „Lady be good“, „Dinah“ oder „Sweet Georgia Brown“ wirken in jeder Phase spritzig und mit der Liebe für`s notierte Detail versehen. Klar, daß der Hintergrund des klassischen Sinti-Jazz einfach fehlen muß. Doch wer so ehrlich und herzerfrischend zu swingen versteht, zu solch originellen, überraschenden Wendungen im Stande ist und wem niemals die wirklich guten Melodien ausgehen, der hat sich in der Tat einen kulturellen Sonderstatus in der sogenannten alten Welt verdient.

Das begeisterte Publikum im Birdland sparte denn auch nicht mit kräftigem Applaus für van Male, van der Aa, Rietdijk und Willemse, die bei allen feinen solistischen Fingerübungen aus ihrer Kraftquelle nie einen Hehl machten: nur die Gemeinsamkeit im Ensemble schweißt für eine solch phänomenale Lebensdauer zusammen.