Ack van Rooyen – Jörg Reiter | 18.09.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Van Rooyen/Reiter eröffnen Neuburger Jazzreihe „Art of the Duo“

Gleich und gleich gesellt sich gern, sagt der Volksmund. Will die Realität sich nicht danach richten, so gibt es eine zweite schöne Redensart, die besagt, daß Gegensätze einander anziehen, wie die Pole eines Magneten. Ein glückliches Pärchen verbindet meist beides: ohne Unterschied ist Partnerschaft auf Dauer trist und öd, ohne Gemeinsamkeit ist sie gar unmöglich.

Was Brautleuten recht ist, kann Musikern nur billig sein, sagte sich der Neuburger Birdland Jazzclub und hauchte während seines Auftaktwochenendes der Saison 1995/96 einer lange gehegten Idee endlich Leben ein: der neuen Konzertreihe „The Art of the Duo“ (die Kunst des Duospiels). Und Glück hatten die Birdländer bei der Wahl ihrer „Nummer eins“ noch dazu. Denn selten gerät jene betörende Mischung aus Einklang und Gegensatz so direkt, wie zum Beispiel beim Zusammentreffen des niederländischen Flügelhorn-Interpreten Ack van Rooyen und des deutschen Pianisten Jörg Reiter.

Ein Gespann wie Vater und Sohn, die ihren Männerphantasien Flügel wachsen lassen. Hier der weißhaarige Holländer mit seinem erstaunlichen Flügelhornansatz, dort der junge Deutsche mit seiner kraftvollen Spielweise. Sie hören einander zu, nehmen die flinken Wendungen des anderen im Bruchteil einer Sekunde wahr und antworten einander. Der extrovertierte Reiter durchpflügt kraftvoll und im rasenden Lauf die Tastatur, produziert treibende Rhythmen und komplexe Harmonien, manchmal hart an der Grenze zum Cluster. Und er läßt mit viel Pedal Klänge wie schwere, süßliche Schwaden ineinanderwallen, aus denen plötzliche improvisatorische Einfälle herausbrechen wie Blitz, Donner und Hagelschlag. Manchmal hart an der Grenze narzißtischer Selbstdarstellung, aber immer faszinierend.

Der introvertierte van Rooyen produziert mit erstaunlich langem Atem dagegen samtweiche, volle, warme Töne. Mal melancholisch schreitend, mal heimisch vergnügt blubbernd und glucksend, mal verschämt brummelnd, doch in jeder Note ungemein leichtfüßig, dezent und ganz gehörig swingend. Ack van Rooyens forsche Riffs bei „Take the Coltrane“, der Ode Duke Ellingtons auf den großen Tenorsaxophonisten, hätten getrost jedem Bebop-Anspruch standgehalten. In unmittelbarer Folge dann plötzlich akustische Zerbrechlichkeit bei „Sometime ago“ oder „Caprice“ – ein Flügelhorn wird zur Palette der Gefühle.

Beide beherrschen ihr Instrument meisterlich, lieben den unverbrämten, unverstärkten Klang, schöpfen aus der Fülle europäischer und afroamerikanischer Musiktradition, fertigen mit ihren Kenntnissen ein Juwel nach dem anderen („Because I love you“, „On my way home“ oder die phantastische Zugabe „My one and only love“) und verstehen sich – obwohl ein ungleiches Paar – prächtig.