Dutch Swing Collage Band | 06.10.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

(Der Tag ist nicht bekannt!)

Eine Premiere war`s gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen gastierte im „bayerischen Jazz-Mekka“ Neuburg erstmals die vielleicht beste und garantiert dienstälteste Oldtime-Band Europas. Zum anderen entdeckte der Birdland-Jazzclub als Veranstalter – mehr aus der Not geboren – eine hochwillkommene Alternative für künftige Ereignisse dieser Art. Die Dutch Swing College Band im altehrwürdigen Kongregationssaal – was eine Woche nach den Barockkonzerten fast wie Stilbruch anmutete, entpuppte sich im Laufe des begeisternden Liveacts als Glücksfall, ja als absoluter Volltreffer, der förmlich nach einer Wiederholung verlangt.

Die nahezu perfekte Akustik, die nur gelegentlich durch das Pfeifen der Verstärkeranlage getrübt wurde, ließ die Frage laut werden, um wieviel höher die Qualität des Sounds beispielsweise bei kleineren, nicht-elektrischen Formationen oder gar einem Piano-Solokonzert liegen könnte. Die Sorge, daß die zahlreichen Oldtime-Fans etwa durch die strenge Kühle des Raumes an spontanen Gefühlsäußerungen gehindert würden, erwies sich zudem als völlig unbegründet. Der fast ausverkaufte Kongregationssaal stand am Ende des kurzweiligen, über zwei Stunden dauernden Abends beinahe Kopf, von spontanen Beifallsbekundungen und Bravo-Rufen ganz zu schweigen.

In der Hauptsache gebührt der Erfolg dieser gelungenen Premiere natürlich dem 1945 im Keller des „Dutch Swing College“ in Den Haag gegründeten, weltberühmten Ensemble. Wohltuend abweichend von der allzu billigen Kiste der Showeffekte, setzen die sechs Vollblutmusiker vor allem auf ihr superbes handwerkliche Können und eine Vielfalt, die weit über die gängige Literatur des Dixieland hinausgeht. Traditionelle Jazzmusik – mit diesem Oberbegriff ließe sich die Bandbreite der virilen Holländer wohl am treffendsten umschreiben. Natürlich gibt es die bekannten und erhofften Gassenhauer, wie den „Basin Street Blues“ oder als vielbeklatschte Zugabe den „Tiger Rag“.

Doch ihre persönliche Zeitrechnung erlischt gottlob nicht mit dem Beginn der 30er Jahre, wie dies beispielsweise bei einem Chris Barber oder einem Monty Sunshine der Fall ist. Die Dutch Swing College Band huldigt im 50. Jahr ihres Bestehens mit einem tiefen Verständis für Swing und auch manchen Anklängen an den Bebop ihren Idolen Trummy Young, Duke Ellington (herrlich: „Mood Indigo“ und „Jumpin`Jive“), Benny Goodman (spritzig: „Air Mail Special“), George Gershwin (virtuos: „Strike up the Band“) oder dem Kansas-Blues eines Count Basie.

Welch wichtige Rolle bei diesen ansteckenden Klängen die Rhythmusgruppe einnimmt, verdeutlichte das gelungene Intermezzo zwischen dem beseelt groovenden Bassisten Adrie Braat und dem Drummer Bob Dekker, der beinahe das Idealbild eines Swing-Schlagzeuger verkörpert: kraftvoll, aber nie überdreht, sicher im Beat und selten um zündende Einfälle verlegen. Daß sich der offenkundig von Teddy Wilson inspirierte Pianist Fred McMurray überwiegend in den Dienst eines kompakten Bandsounds stellte, schuf der dreiköpfigen Bläsersektion nahezu völlige Bewegungsfreiheit.

Der wuselige Bandboß Bop Kaper mit klassischer Oldtime-Klarinette und hin und wieder am bluesgetränkten Altsaxophon besaß in „Clarinet Marmelade“ seine stärksten Momente, während der Trompeter, in diesem Fall Klaas Witt, schon seit Generationen eindeutig die Schwachstelle der DSCB darstellt. Dagegen bot der Jüngste der aktuellen Besetzung, der Posaunist Bert Boerens, alles, was des Jazzers Herz höher schlagen läßt. Mit seinem großen, durchaus modern strukturierten, dunklen Ton und seinen erregenden Plunger-Soli entpuppte er sich als der heimliche Star einer gelungenen Kopplung von populärer Musik und historischem Ambiente.