Hiromi Uehara | 10.10.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

So rockig war’s selten im Puristenmekka des Birdland Jazzclub. Sitzt da eine zierliche junge Dame aus dem Land der aufgehenden Sonne, lächelt lieb und nett und lässt’s krachen, dass die Ohren wackeln. Mit fast brachialen Energieausbrüchen führte sich die japanische Pianistin Hiromi in Neuburg ein, mit einer hauchzarten Ballade verabschiedete sie sich. Dazwischen: Ein mehr als temperamentvolles Konzert.

Nicht dass etwas falsch verstanden wird: Hiromi weiß genau, dass zur Spannung die Entspannung gehört, und so gönnt sie sich und den ZuhörerInnen immer wieder mal auch ruhige, fast meditative Phasen in wirbellos dahinfließendem Strom. Zumeist jedoch kocht’s und brodelt’s im ersten Set nur so in wahren Eruptionen. Die junge Dame hat ihre Lektionen gelernt in einem weit gespannten pianistischen Universalstudium und interpretiert nun die Kunst des Pianotrios auf ihre eigene Art. Da stehen die Blockakkorde im Raum in kantiger Monumentalität und gläserner Härte wie sie eine Heavy Metal Band nicht besser in Pose werfen könnte, da werden knallige Riffs in den Keller geschleudert, da gibt der Drummer fleißig Gas – und unversehens spaziert eine kleine Schubertiade dazwischen, pfeift der Duke sich eins in sentimentaler Laune oder tupft frühlingsgleich ein sanftes Fragezeichen ins reichlich laute Gewitter. Zwischen den Stücken lächelt Hiromi immer wieder allerliebst, wie wenn sie kein Wässerchen trüben könnte, radebrecht ein wenig Deutsch in ihren Ansagen, lieb und nett und freundlich, bis sie wieder in die Tasten greift, dass der Flügel nur so bebt unter ihrem phänomenalen Anschlag. Im zweiten Set wird es dann jazziger mit Groove, Finesse und einer hauchzarten Ballade zum Schluss. Hiromis Technik ist dabei so makellos wie ihr Ansatz eigenwillig. Tony Grey versucht sich am 5-String-E-Bass in vielversprechender Fingerfertigkeit an Jaco Pastorius Erbe, Martin Valihora bietet hinter der allzu heftigen Lautstärke durchaus differenziertes Drumming. Hiromi Uehara schließlich strahlt förmlich vor Spielfreude zwischen akustischem Pianotrio und Hardcore-Fusion, Funk und Trance, Punk und Stride, Rock, Jazz und Entertainment wie der Puck eines musikalischen Sommernachtstraums.