Hildegunn Øiseth Quartet | 23.02.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die norwegische Trompeterin Hildegunn Øiseth ist weitgereist. Sie kennt sich aus mit der Musik der Samen ganz im Norden Skandinaviens und ebenso – nachdem sie etliche Jahre am Kap verbracht hat – mit den traditionellen Klängen Südafrikas. Drittens und in der Hauptsache aber ist sie eine hervorragende Jazztrompeterin, die ihr Genre nutzt für einen der raffiniertesten Brückenschläge, die man sich vorstellen kann. Mari Boine trifft Hugh Masekela trifft Jan Garbarek. So ungefähr wenigstens.

Man kann ihren Kompositionen beim Wachsen zuhören. Ein sprießender Keimling, eine einzelne Note, eine einfache Bassfigur, entwickelt sich allmählich zur kräftigen Pflanze, die mit der Zeit erblüht zu opulenter Pracht. Wobei dem Faktor Zeit in den Stücken Øiseths eine ganz eigene Bedeutung zukommt. Der eigenartigen Schönheit der nordischen Monotonie, für deren Betrachtung man sich alle Zeit der Welt nehmen sollte, stehen die wuseligen Aktivitäten des Südens entgegen. Diese beiden Pole nicht nur zu verbinden, sondern wie selbstverständlich sich auseinander entwickeln zu lassen, hat sie sich zur Aufgabe gemacht. Mehr noch. Sie hat aus diesem Brückenschlag ihren ganz eigenen und unverkennbaren Stil entwickelt.

Trefflich unterstützt von Espen Berg am Flügel, der wie sie lange beim Trondheim Jazz Orchestra tätig war, von Magne Thormodsæter (Terje Rypdal, John Surman) am Kontrabass und Per Oddvar Johansen (Joshua Redman, Bugge Wesseltoft) am Schlagzeug spannt sie einen Bogen um den gesamten Globus, setzt das Bukkehorn – hergestellt aus dem Horn des Schaf- oder Ziegenbocks – ein und kombiniert dessen Klang mit den perkussiven Patterns vom Tafelberg. Wer unbedingt eine Schublade braucht, könnte das, was das Hildegunn Øiseth Quartet an diesem Abend im Neuburger Birdland Jazzclub in den Saal zaubert, der Einfachheit halber „World Jazz“ nennen. Aber das griffe zu kurz. Nein, eigentlich bedient sie sich ganz klar der Sprache des Jazz, fügt aber diesem eh schon facettenreichen Genre einfach noch ein Stück ihrer ganz persönlichen Biografie und damit eine neue Farbe hinzu. Und nimmt damit das Publikum im Handstreich, was sich in heftigst eingeforderten zwei Zugaben äußert.

Diese Reaktion liegt natürlich auch darin begründet, dass neben stilistischen Besonderheiten der Spagat zwischen spröder Schönheit und warmherziger Empathie, zwischen lyrischer Empfindsamkeit und archaischer Rohheit so mühelos gelingt. Eben noch jagten Geräuschfetzen über das Fjell, dann wieder wird Langsamkeit zur Tugend. Die Aurora Borealis wabert mit dem rhythmischen Dickicht vom Kap über den nordischen Himmel. Und diese erstklassige Band spielt den unvergleichlichen Soundtrack zu alledem. Ein hoch spannendes, hoch dynamisches, ganz einfach ein erstklassiges Konzert!