Cristina Braga Trio | 22.02.2019

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Söder im Smoking, Aiwanger im feinen Zwirn und jede Menge fränkischer Narreteien
– also die BR-Kultsendung aus Veitshöchheim oder eine Kult-Jazzerin mit ihrem Trio im Birdland? Keine leichte Entscheidung, aber doch eine klare: Der Frankenfasching ist als Aufzeichnung genauso unterhaltsam wie live, aber Jazz live im Gewölbekeller unter der alten Hofapotheke, das ist etwas ganz anderes als die gleiche Musik von der CD.

Anders gesagt: es wäre ein großer Fehler gewesen, sich den Auftritt des Cristina Braga Trio in Neuburg entgehen zu lassen. Die weltweit gefeierte Harfenistin und Sängerin Cristina Brage selbst, ihr Ehemann Ricardo Medeiros am Bass und Joachim Holzhauser am Schlagzeug verzauberten das Publikum im ausverkauften Birdland mit ihrem Brazil-Jazz, der Sound der Musikmetropole Rio de Janeiro war nach wenigen Tönen bereits körperlich spürbar. Die überschäumende Kraft des Samba, die intellektuelle Disziplin der Jazz-Tradition – vereint in der Welt des Bossa Nova, das geht unmittelbar in Herz und Hirn.

Die Seele dieses musikalischen Kosmos ist Cristina Braga selbst. Sie kommt von der klassischen Harfe her, die silbrige Virtuosität, das ätherisch Schwebende dieses Instruments beherrscht sie, im Jazzkeller waren diese Qualitäten in Fülle zu genießen. Es kommt aber etwas Wesentliches hinzu: Diese Brasilianerin ist mit ihrem Instrument regelrecht verwachsen, die Harfe ist fast ein Teil von ihr wie ihre samtige Stimme. Cristina Braga strahlt Spannung vom Scheitel bis zur Sohle aus, ob sie nun die Saiten in melancholischen Passagen ganz sanft berührt oder auch, im emotionalen Ausbruch, wilde rhythmische und tänzerische Akzente setzt.

Aber Harfe und Gesang nach Braga-Art sind bei diesem Trio nicht einfach dominant. Ricardo Medeiros misst auf seinem Bass den gesamten Raum des Griffbretts aus, von dem sonoren Tiefen bis hinauf in schräg bis knarzig daherkommende Höhen. Er setzt Soundeffekte als stimmigen Kontrast zur Harfe, auch mit weit ausholendem Vibrato und heißen Glissando-Aufschwüngen. Der Dritte im Bunde, Joachim Holzhäuser am Schlagzeug, entpuppt sich als kammermusikalisch versierter Improvisations-Magier, er pflegt einen dezenten Stil, sehr präsent und unaufdringlich.

So verwandeln sich Samba-Klassiker in Jazz-Kunstwerke, nicht verkopft, sondern frisch und frei musiziert als Melange aus zwei Welten. Zum Beispiel die balladenartige Nummer über den Flug eines Vogels, über den Zauber des Frühlings in Rio oder vom ewigen Werden und Vergehen der Jahreszeiten. Bewegend eine Hommage an jene Harfenspieler, die vor Jahrhunderten zur Zeit von Queen Elizabeth I. durch die Dörfer Irlands gezogen sind, die Troubadoure. Elizabeth ließ ihre Harfen verbrennen, die Spieler wurden gehenkt, aber die Kraft der keltisch geprägten Kultur eines unterdrückten Volkes war auch durch solchen Terror nicht zu besiegen. Ein Symbol für den Stolz und die sanfte Macht jeder guten Musik – in den Harfenklängen von Cristina Braga war sie bei genauem Hinhören spürbar.