Helmut Viertl – Nachruf | 26.01.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Helmut Viertl ist im Alter von 86 Jahren verstorben. Mit ihm ist einer der wichtigsten Strippenzieher hinter den Kulissen des Jazz in Deutschland nicht mehr unter uns, der Mann, dessen Name unweigerlich immer dann genannt wird, wenn es um die „Internationale Jazzwoche Burghausen“ geht, der – zusammen mit Joe Viera – das dortige, längst weltweit bekannte Jazzfestival gründete, ein Mann, der für seine große Leidenschaft, den Jazz, lebte. Der gebürtige Oberpfälzer, der quasi die komplette internationale Jazzszene inklusive Ella Fitzgerald und Count Basie an die Salzach geholt hatte, zog sich nach 25 Jahren zwar als aktiver Mitgestalter des Festivals zurück, seiner Passion aber blieb er stets treu. Wenn es swingte, war er in seinem Element.

Was nicht so bekannt ist: Helmut Viertl ist auch der Gründer des Birdland Jazzclubs in Neuburg und war zu Beginn dessen eigentlicher Motor. Manfred Rehm, der heutige Birdland-Chef, über die Anfänge: „Der Helmut konnte wie kaum ein anderer die Leute für Musik begeistern. Er kam aus Neumarkt nach Neuburg, weil er hier eine Ausbildung zum Gerichtsvollzieher machte. Er war Jazzfan, ich war Jazzfan. Also verbrachten wir viel gemeinsame Zeit damit, unsere Lieblingsmusik auf AFN München (American Forces Network Munich) zu hören oder über seltene Platten aus Amerika, die uns ein paar befreundete, in Neuburg stationierte GI’s aus den USA mitbrachten“.

Daraus entwickelten sich Clubabende, Plattensessions im Keller des damaligen Cafe Huber, dem ersten Domizil des Birdland Jazzclubs nach dessen Gründung 1958. Viertl wurde erster Vorsitzender des Clubs, organisierte Konzertfahrten nach München oder Nürnberg, veranstaltete bisweilen sogar schon Konzerte vor Ort und brachte damalige Größen wie das Michael Naura Quintett, das Albert Mangelsdorff Quintett oder Max Greger nach Neuburg. Unter seiner Führung organisierte der Club auch die sogenannten „Riverboat Shuffles“. Man war mit einem Ausflugsboot zwischen Donauwörth und Neuburg auf der Donau unterwegs und führte neben der nötigen Bordverpflegung jede Menge Musik mit, denn um die ging es schließlich in der Hauptsache. Manfred Rehm stellt ganz klar fest: „Ohne den Helmut gäbe es das Birdland heute gar nicht. Er hat den Grundstein gelegt.“ Und fügt noch an: „In Grunde hat er mich überhaupt erst dazu animiert, den Club nach ihm weiterzuführen.“ Wobei es schon Unterschiede gab. Viertl war Liebhaber des traditionellen Jazz, Rehm bevorzugte eher die damals „Neuen“ wie Miles Davis. Beiden gemeinsam freilich war ihre unbedingte Liebe zum Livejazz, was vielleicht auch daran lag, dass Viertl als Vibrafonist und Rehm als Saxofonist selber in Bands spielten.

Der Grund, warum Viertl schließlich 1962 nach Burghausen ging, ist recht profan. Er war mit seiner Ausbildung fertig und wurde ganz einfach von der zuständigen Behörde dorthin versetzt. Worüber er allerdings anfangs gar nicht so glücklich war, denn in musikalischer Hinsicht nämlich war dort absolute Wüste. Was sich aber nach Viertls Zuzug – wie man heute weiß – grundlegend änderte.

Auch nach seinem Rückzug blieb Viertl leidenschaftlicher Konzertgänger und Jazzhörer. Er begleitete das einst von ihm auf den Weg gebrachte Festival an der Salzach auch nach seiner aktiven Zeit immer mit wohlwollendem, aber auch kritischem Blick. Und er beobachtete auch immer, was sich im Birdland in Neuburg tat. Rehm: „Wir standen bis zuletzt regelmäßig in Kontakt und waren uns die ganzen Jahre über freundschaftlich verbunden.“

In der Kunst allgemein, in der Musik freilich in ganz besonderem Maße, sind nicht nur die Künstler wichtig, sondern auch die Menschen, die sie ermöglichen, fördern, gegen Widerstände verteidigen. Mit dem Tod von Helmut Viertl ist einer der ganz Großen und einer der Authentischsten von ihnen von uns gegangen. Er gehörte zu der immer kleiner werdenden Gruppe von Menschen, die mit echtem Herzblut und wahrer Leidenschaft in Sachen Jazz aktiv waren und sind. Im Grunde sollte auch sein Name neben all den anderen in der berühmten Burghausener „Street Of Fame“ verweigt werden.