Hedvig Hanson Quartet | 14.11.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Die Jazzwelt ist größer geworden seit dem fall des eisernen Vorhangs. Die neu gewonnene Freiheit der Osteuropäer sorgt für so manches belebende Prickeln in der Landschaft. Dass sie mit Recht als echte Bereicherung der europäischen Szene gilt, stellte die estische Sängerin Hedvig Hanson im Birdland Jazzclub recht eindrucksvoll unter Beweis.

Hedvig Hansons Stimme wartet weniger mit einem spektakulären Timbre auf als mit kühler Gefaßtheit. Die jedoch ist um so wirkungsvoller in ihrer unmittelbaren Autentizität und wasserhellen Klarheit. Die sympathische junge Frau aus dem Nordosten Europas verlässt sich ohne irgendwelche oberflächlichen Profilierungsgelüste einfach nur auf eine absolut sichere Intonation, eine völlig natürlich wirkende Phrasierung und eine äußerlich so karg distanzierte wie gleichzeitig von innerer Glut erfüllte Interpretation ihrer Songs. In einem hohen Maß an Eigenständigkeit mischt sie klassische Jazzstandards mit den Ergebnissen eigenen Songwritings – teils in englischer, teils in estonischer Sprache -, die in differenzierter Harmonik eine sacht glimmende Aura entfalten. Die eher sparsamen Arrangements unterstreichen dabei nur die lebensnahe Anmut des Gesangs. Dabei sind sie voll mit kleinen feinen Glanzstücken feinfühlig virtuoser Zurückhaltung. Taavo Remmel am Bass lässt kräftige Akkorde und zart gestrichene Flagoletttöne in direkter Nachbarschaft erklingen, Raun Juurikas am Bösendorfer tupft gemessene Harmonien und wohlgezielte Single-Notes ins Geschehen, Toomas Rull am Schlagzeug klöppelt sanft pulsierende Rhythmen. Wenn dazu Andre Maaker die Saiten seiner Gitarre streichelt, ergeben sich hingehauchte Momente von Luzidität und Magie, die schimmern wie die tiefstehende Sonne am 59. Breitengrad, vollends dann, wenn Hedvig Hanson die musikalische Frage stellt: „What Color Is Love?“