Ed Kröger Quintet | 15.11.2003

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Gibt es so etwas überhaupt noch? Eine Band, die sich nicht damit begnügt, auf dem begradigten Mainstream dahinzupaddeln –  „Summertime“, „In a sentimental Mood“, one-two-three – sondern die ganz bewusst Seitenarme und Stromschnellen sucht? Man muss nicht unbedingt zum manischen Modernisten konvertieren, um aus der Flut der ganzen gesichts- und namenlosen Jazzbands hervorzustechen. Ein originelles, spritziges, schlicht ein eigenes Konzept wie das von Ed Kröger und seinem Quintett im Neuburger „Birdland“-Jazzclub tut es längst, um beim reizüberfluteten Publikum nachhaltig ins Auge und ins Ohr zu stechen.

Kröger wird im Dezember 60 Jahre alt. Und irgendwie zieht der Posaunist jedem eine lange Nase, wenn er einen seiner Titel „Still Groovin“ überschreibt. Klingt so, als müsse nur noch der Zusatz „…after all these Years“ hinzugefügt werden. Denn der Mann hat sich und seine Auffassung von Jazz seit den 60ern, als er mit Sigi Busch, Marion Brown, Eberhard Weber und Niels-Henning Ørsted-Pedersen spielte, um kein Jota verändert. Vielleicht würden findige Experten das, was der Bremer zusammen mit seinen multinationalen Stadtmusikanten vollführt, ganz hochtrabend Neobop nennen. In Wahrheit sind es aber hinreißend bunte Kompositionen, die durch die brillanten Solisten einen spannenden erzählenden Gestus erhalten, vom unwiderstehlichen Groove einmal ganz zu schweigen.

Nichts Altmodisches, nichts Nostalgisches. Kröger und Konsorten exerzieren vor, wie sich der klassische Jazz mit kleinen, aber konsequenten Hebelbewegungen weiterentwickeln kann. Ein Solo steht bei den Fünf nicht isoliert im Raum, kein Bass, kein Saxofon, kein Schlagzeug werden automatisch leiser oder verschwinden sogar von der Bühne. Der Fluss der Musik trägt fast jede instrumentale Kür, integriert sie als einen Teil des Gruppenklangs, erhöht und bereichert sie. Und dann ist da noch das stillschweigende Einverständnis, die innere Symmetrie, die Telefonbands nur vom Hörensagen her kennen.

Schon allein wenn der unglaublich variantenreiche Drummer Michael Keul, der voluminöse Bassist Lars Gühlcke und die Entdeckung des Abends, der französische Pianist Vincent Bourgeyx, im Trio interagieren, öffnen sich zuvor unerreichte Horizonte. Bourgeyx wartet immer wieder mit überraschenden Lösungen, dichten Spannungsbögen sowie einem fein pronocierten Anschlag auf, der sich ganz und gar nicht mit den exaltierten Hardbop-Elfenbeintänzern alter Schule vergleichen lassen will.

Scharf geschnitten, zupackend, teilweise sogar aggressiv modelliert Ignaz Dinné seinen Altsaxofonton, ohne jedoch eine Sekunde lang die Posaune außer Acht zu lassen. Die phrasiert Kröger wuchtig, geschwind, elegant und behände wie ein Trompeter. Welch elektrisierender Kontrast: hier das kantige, knorrige, kratzende Alto, dort die fließende, flexible, farbige Trombone. Mit dieser Bläser-Frontline geraten das rasante „The Spirit of Tartex“ oder die wunderschöne Ballade „You are too beautiful“ zu intensiven, warmen gleißenden Strahlen, die unmittelbar ins Herz treffen. Mehr kann man von Musik, noch dazu vom ständig kritisierten, angeblich überkommenen Jazz kaum erwarten.