Harold Mabern Trio | 31.01.2015

Donaukurier | Karl Leitner
 

Kann man 1936 in Memphis/Tennessee geboren und nicht vom Blues infiltriert sein? Schwerlich. Nicht umsonst sagt Harold Mabern von sich selbst, er sei lediglich „ein Bluespianist, der Jazz versteht“. Was natürlich die pure Untertreibung ist, denn der Mann gehört schließlich zur Creme des Jazz an sich, und das nicht nur wegen seiner Zusammenarbeit mit allen, ja, wirklich mit allen Großen seines Genres von Lionel Hampton und Benny Golson bis zu Sonny Rollins und Freddie Hubbard. Wie sie hat Mabern selbst auch Jazzgeschichte geschrieben.

Andererseits lässt er beim Konzert im Neuburger Birdland seine linke Hand phasenweise donnergleich auf den Flügel herniedersausen – während er mit der rechten luftige Improvisationen in das Gewölbe unter der Hofapotheke zaubert – und zeigt schon dadurch, dass er diese Verbindung zum Blues nie gekappt, sondern zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Für ihn ist das also kein Spagat, sondern logische Konsequenz. Und so stehen drei eher an das Stride Piano eines Fats Waller oder Meade „Lux“ Lewis erinnernde Solostücke denn auch ganz selbstverständlich neben Bandbearbeitungen von Lee Morgan’s „Ceora“ oder John Coltrane’s „My Favorite Things“, der Nummer, mit der er zum Ende des Konzerts hin alle Register zieht.

Begleitet wird Mabern im Birdland von John Webber am Kontrabass, der einen ganz vorzüglichen Eindruck hinterlässt, und von Joris Dudli, der auf die Schnelle den vakant gewordenen Platz des etatmäßigen Schlagzeugers Joe Farnsworth eingenommen hat und –  man merkt es ab und zu an einigen Nahtstellen – noch nicht hundertprozentig integriert ist. Viel wichtiger aber ist, dass Mabern seinen Auftritt nicht nur nutzt, um exzellentes Klavierspiel zu demonstrieren, sondern auch Einblick gewährt in sein Leben und seine persönlichen Vorlieben. Mit spürbar pochendem Herzblut erklärt er, warum man Blues zwar auf Notenpapier notieren, dessen Spielweise letztlich aber nur mit dem Herzen spielen kann, warum er Dizzy Gillespie für den perfektesten Trompeter hält und Clifford Brown in seiner persönlichen Heldenliste ganz oben stehe. Dass solche Statements sofort exemplarisch untermauert werden, versteht sich von selbst.

Ja, dieses 169. Konzert der Birdland-Reihe „The Art Of Piano“, in der der clubeigene Bösendorfer-Flügel im Mittelpunkt des Interesses steht, war schon eine Besonderheit. Und das, obwohl Mabern von sich sagt, er habe eigentlich nie ein Bandleader sein wollen, sondern viel lieber der beste Sideman aller Zeiten. Diesem Wunsch kommt er vermutlich ziemlich nahe. Manchmal aber macht er auch eine Ausnahme und ist selber der Chef. Zum Beispiel an diesem Abend im Birdland. Glück für die, die Zeuge eines dieser seltenen Momente wurden.