Harold Mabern Quartet | 02.12.2017

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Je oller, je doller. Das ist ein wenig flapsig formuliert, zugegeben. Aber für den umjubelten Auftritt der mittlerweile 81-jährigen Jazzlegende Harald Mabern im Birdland Jazzclub darf diese flotte Beschreibung schon durchgehen. Zum Beispiel schon wegen der Zugabe, die der großartige Pianist Mabern als Soul- und Balladensänger auf die kleine Bühne im Keller unter der alten Hofapotheke stellte. Voller Gefühle wie feiner Liebessehnsucht, bittersüßer Nostalgie und einem abgeklärten Weltschmerz – und auch mit einer schönen Portion Selbstironie.

Wer diesen Vollbut-Pianisten und mit allen Wassern gewaschenen Jazzer auf dem Weg zum Bösendorferflügel beobachtet, etwas vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend und so gar nicht mit der betont jugendlichen Attitüde mancher älterer oder alter Herren, der erlebt Sekunden später ein musikalisches Wunder. Schon mit den ersten Akkorden, mit seinen ausnehmend großen, kraftvollen und ausdrucksstarken Händen nimmt Mabern das Piano, die Jahrzehnte jüngeren Mitstreiter in seinem Quartett und auch das Publikum in den Griff. Aber der Großmeister der Jazzgeschichte dominiert nicht etwa die vorzüglichen Musiker am Bass (Daryl Hall) am Tenosaxofon (Eric Alexander) und am Schlagzeug (Bernd Reiter) – nach der Pause auch noch Helmut Kagerer an der E-Gitarre.

Der Grandseigneur am Klavier ist der Chef, ja. So wird er auch von den anderen angesprochen, die alle mindestens seine Söhne sein könnten. Der Sound des Quartetts freilich ist über die ausgedehnten Nummern wie etwa „Nightlife in Neuburg“ oder „Magic“ hinweg beeindruckend dicht. Alle vier musizieren, improvisieren und phantasieren auf gleichem technischen und musikalischen Niveau. Solistische Einlagen von Kontrabass, Saxofon und Drums stehen nicht als „Glanzlichter“ jeweils für sich, sie sind zusammengebunden in ein perfektes, durchkomponiertes Klangkunstwerk.

Dabei übertreffen sich Bassist, Saxofonist, Schlagzeuger des Mabern-Quartet und als „Überraschungsgast“ nach der Pause der famose Regensburger Gitarrist Helmut Kagerer durchaus gegenseitig bei jenen Passagen, in denen sie aus dem Gesamtbild hervortreten. Jedoch nicht in auftrumpfender Weise, vielleicht schon mit Blick auf den allfälligen Szeneapplaus, vielmehr mit einem ausgeprägten Gespür für das größere Ganze.

Wilde Läufe und Ausbrüche des Saxofons, heiße Glissandi im Doppelgriff auf dem Bass, raffinierte Klangfarben der E-Gitarre und rhythmische Grandezza am Schlagzeug haben nichts Äußerliches, nichts Aufgesetztes. Alles ist getragen von – wenn man so will – einer musikalischen Ernsthaftigkeit und zugleich von der Leichtigkeit des virtuosen Seins. Und der alte Fuchs Mabern hört diesem edlen Wettstreit mit großem Vergnügen zu, schwingt sich in jugendlicher Frische zu grandiosen Akkord-Kaskaden und feinen Koloraturen auf. Und klappt gelegentlich sogar den Deckel über seiner Tastatur zu, um einfach zu genießen, was da um ihn herum von den „jungen Hupfern“ veranstaltet wird.

Ein mit Recht umjubeltes, denkwürdiges Konzert im Birdland Jazzclub. Nur eine kleine
Anmerkung: Den Reiz der leiseren Töne und die Steigerung ins Forte oder Fortissimo könnte man noch etwas besser ausspielen. Ein kleiner Dreh zurück am Regulationsknopf der Gitarre zum Beispiel wäre in der Akustik des Birdland Clubs nicht weniger, sondern mehr gewesen.