Craig Taborn Piano Solo | 25.11.2017

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Zum 195. mal gab es im Neuburger Birdland Gelegenheit, die „Art of Piano“ zu erleben und – wahrlich! – zu bestaunen. Mit Craig Taborn konnten die zahlreichen Gäste im Jazzkeller einen der profiliertesten und verblüffendsten Tastendrücker des aktuellen Jazz begrüßen.

Der 47jährige Detroiter überraschte in zwei rein akustischen Sets am clubeigenen Bösendorfer mit äußerst eigenwilligem, unverwechselbar eigenständigem Spiel und bürstete Mainstream und Mode gleichermaßen gegen den Strich. Solo! Ganz schön anspruchsvoll, allein auf der Bühne und niemand da, den Faden aufzuheben, wenn mal was durchzuhängen droht. Das war aber auch gar nicht nötig, denn Craig Taborn gelang es über beide komplette Hälften des Konzerts, die Spannung hochzuhalten mit seinem energetischen, zumeist kraftvoll sprudelnden, nur selten lyrisch sensitiven Spiel.

Taborns quirlige, zuweilen hart wirkende, kantige Artikulation erinnnerte in brillanter Anschlagskultur mitunter an Bud Powell oder Thelonious Monk, wenn sie denn überhaupt in irgendeiner Weise Vergleichbarem zuzuordnen schien. Schließlich gilt Craig Taborn, dem Johann Sebastian Bach so viel bedeutet wie Cecil Taylor oder Anthony Braxton und der sich jenseits des Akustischen auch in der Ambient- und Techno-Szene tummelt, als einer der wenigen wirklichen Erneuerer des aktuellen Jazz.

In stets überraschenden, mal jazzig swingenden, mal kantigen, abstrakt-freien Improvisationen sprangen die Töne bisweilen wie Zauberwürfel aus dem Flügel und entfalteten dabei eine ungeheure Wirksamkeit. Die Ausdrucksstärke lag weniger im zarten Erkunden der Zwischentöne, wiewohl auch das nicht fehlte, als in der entschlossenen Ausgestaltung von Bewegung und Gegenbewegung sowie in ihrer expressiven Konsequenz und Dynamik. Das ging nicht selten bis zu spürbaren physischen Grenzen, so wenn Craig Taborn mal um mal am Ende eines Stücks seine Unterarme ausschütteln und die Muskulatur massieren musste.

Aus dunklen Akkorden entlockte er rasend schnelle Auflösungen an der Grenze virtuoser Möglichkeiten. Ostinat durchgehaltene Figuren, der minimal music ähnlich variiert, zerlegte, dekonstruierte und zersplitterte er in ihre Einzelteile, erfand sie sodann je und je neu in schier berserkerhafter Vehemenz. Wirklich spannend, diese 195. Auflage der „Art of Piano“ im Neuburger Birdland!