Das „Birdland“ als Ziel aller Träume? Günter Schilling mußte lange warten, bis er, quasi um die Ecke in Schrobenhausen wohnend, im mittlerweile exquisitesten Jazzkeller Südbayerns konzertieren durfte. Dort, wo allwöchentlich leibhaftige Swing-, Bebop- und Avantgarde-Legenden Maßstäbe setzen, schien die Latte für lokale Musiker lange Zeit unerreichbar hoch, ein Auftritt mit dem enormen Qualitätslevel des Clubs kaum vereinbar.
Doch weil zu einer gesunden Jazzszene für den rührigen „Birdland“-Impresario Manfred Rehm eben auch die Pflege heimischer Triebe gehört, suchte und fand er ein Schlupfloch. Seit dem vergangenen Jahr gibt es nun die Reihe „Jazz aus der Region“, die interessanten Künstlern, wie etwa dem Ingolstädter Gitarristen Rudi Trögl, in loser Folge eine attraktive Möglichkeit zur Präsentation bietet.
Günter Schilling, schon in den 60er Jahren in Südostbayern und Österreich als erfindungsreicher Freejazzer bekannt, stand seit geraumer Zeit auf der Liste der potentiellen Kandidaten. Inzwischen verfügt der Pianist über ein deutlich breiteres Spektrum bis hin zum Mainstream, das freilich immer noch genügend Klasse durchschimmern läßt, um problemlos jedes Klischee des Amateurhaften schon im Keim zu ersticken. Programmatisch wissen Schilling „and friends“ (Karl Stöger, Kontrabaß, Florian Laquai, Schlagzeug, Reinhard Scholz, Percussion, und Stefan Schmidmeier, Altsaxophon) sowieso, was das Publikum will, ohne sich gleich selbst alle Hintertürchen zum persönlichen Ausbruch zuzuschlagen.
Die einvernehmliche Losung lautet: „Keine Experimente“. Und es gäbe gewiss schlechtere Wege, sich auf einer derart „belasteten“ Bühne zu bewegen, als die alles in allem gelungene, manchmal sogar schwungvolle Homage an die Großen des Jazz. Horace Silver, Dollar Brand, Mose Allison, Keith Jarrett und Erroll Garner: logischerweise sind es Tastengötter, die den Bandleader faszinieren. Entweder hymnisch üppig, mit einem glasklaren Bluestremelo oder als swingender Akkordier – Schilling überzeugte im „Birdland“ vor allem durch seine feine Technik und sein beachtliches Einfühlungsvermögen.
Sicherlich: manche Adaption schossen bei strenger Bewertung leicht über`s gesetzte Ziel hinaus. Etwa das hudelige Coltrane-Stück „My Favorite Things“ oder die spritzig anstatt cool-laid back geratene Anleihe an das „Modern Jazz Quartet“. Möglicherweise hätten sich einige Fans auch mehr von Schillings spannenden Eigenkompositionen aus früheren Zeiten (wie „Burkina Faso“ mit freier Einleitung und dynamischem straight-ahead-Mittelteil) anstatt des deutlichen Übergewichtes aus dem Real Book gewünscht. Aber die überaus zufriedenstellende Nagelprobe der inspirierten Band bewies einmal mehr, daß Jazz in der Region Ingolstadt weitaus mehr, als nur ein fröhliches Feierabendvergnügen sein kann.