Es mag schon seinen Grund haben, warum Patrick Süßkind ausgerechnet mit der Geschichte eines unauffälligen Kontrabasses zum Bestsellerautor emporstieg. Dem hölzernen Korpus bleibt stets der Platz im Schatten von Bläsern, Streichern und Piano. Doch gerade diese Rolle verleiht jedem Bassisten samt Instrument einen gewissenen stillen Glanz. Beider Tun schenkt einem Ensemble erst die innere Uhr, den Herzschlag. Ohne präzisen Baß geht nichts, mit ihm scheinbar alles!
Es kommt auch kaum von ungefähr, daß man Kontrabassisten nachsagt, wegen ihrer integrativen Funktion die globalste Sicht über die Entstehung von Musik zu besitzen. Daß diese besondere Gabe mit Charles Mingus, Charlie Haden oder Oscar Pettiford einige der innovativsten Komponisten und Bandleader des Jazz hervorbrachte, bleibt der Öffentlichkeit leider immer noch weitgehend verborgen. Trotzdem schickt sich jetzt wieder einer an, in den „Club der leisen Genies“ aufgenommen zu werden: der 62jährige Amerikaner Cecil McBee, am vergangenen Wochenende mit seinem Quintett Gast im Neuburger „Birdland“-Jazzclub.
Wo McBee in den vergangenen 30 Jahren seine pastellfarbenen Linien und seinen eleganten Groove einpflanzte, hinterließ er Spuren: bei Miles Davis, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Keith Jarrett und unzähligen anderen Größen. Nur seine Soloarbeiten fielen regelmäßig unter den Tisch. So nimmt es kaum Wunder, daß der bescheidene Großtöner aus Tulsa/Oklahoma geschlagene zwölf Jahre wartete, bis er nun wieder mit einer eigenen Band um den Globus tourt.
Der bereitet es nun hörbar Freude, der irritierten Szene den Unterschied zwischen leicht verdaulicher Kommerzware und hochwertigen Klangabenteuern voller Esprit und Einfallsreichtum vorzuführen. Der bluesig-eruptive Altsaxophonist Randall Conners, der geschliffen phrasierende Trompeter James Zollar, der besonnen konstruierende Pianist David Berkman und der erstaunlich wendige und melodiös agierende Drummer Matt Wilson – eine Formation (noch) namenloser Jungstars, ein homogenes Kollektiv der Individualität.
Im Zentrum dieser Energiequelle besorgt Cecil McBee die Grundierung für geheimnisvolle Soundgemälde in dunklen, grauen Farben, für verträumte Stilleben wie „Lucia“, reißende Tempera zwischen Free und Hardbop (in „Unspoken“) oder hippe, virtuose Funkskizzen (in „Catfish“). Die Fünf verwenden Versatzstücke aus ungeraden Metren, pulsierende Rhythmen, scharfkantige Bläsersätze, schwere Baßostinati, flirrende Skalen sowie wunderbare Harmonien und schaffen damit ein hinreißendes Patchwork moderner Musik, eingefangen unter dem weiten Mantel des Jazz.
Warum sich diese grandiose Performance allerdings nur eine kleine, handverlesene Schar zu Gemüte führen wollte, kann inzwischen wohl niemand mehr plausibel erklären. Das sich gerne im Wohlklang von Balladen aalende und von der heimeligen Atmosphäre des Kellers schwärmende Stammpublikum strafte McBee, den Meister der atmosphärischen Dichte, einfach mit Abstinenz. Fast ein Affront!