Giuliani – Pieranunzi | 10.04.2010

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Sie gehören unstreitig zu den wichtigsten Aushängeschildern des Jazz vom Stiefel, die beiden Italiener Enrico Pieranunzi und Rosario Giuliani. Im Duo brachten sie eine Hommage an Thelonious Monk mit nach Neuburg an der Donau, trugen die Inspiration der ersten Stunde des modernen Jazz in beeindruckend stimmiger Weise ins Jahr 2010.

Eigentlich schwer vorstellbar, dieses Dreieck: Thelonious Monk lieferte die Kompositionen, jener spätere Eremit, der Anfang der 1940er Jahre er Hauspianist im Harlemer Club Minton’s Playhouse wurde, dem Treffpunkt eines losen Verbandes junger Musiker, die bei Jam-Sessions nach neuen musikalischen Wegen abseits des Swing-Mainstreams suchten. Neben Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Charlie Christian und Kenny Clarke zählte Monk damit zu dem Kreis der Musiker, die später als Keimzelle eines neuen Stils – des Bebop – und damit des Modern Jazz gelten sollten. Monk, den Zeitgenossen als einen sehr introvertierten Exzentriker beschreiben, brachte in die Jazzgeschichte einzigartige Kompositionen ein, die ihn auch über seinen Tod im Jahre 1982 als eine der prägendsten Gestalten des Jazz zeigen.

Seine kantigen, kauzigen, intelligenten Stücke mit ihrem stets präsenten Überraschungspotential stehen wie Solitaire im Raum, fordern von jedem, der sich an sie wagt, alles. Die beiden anderen Seiten des Dreiecks stehen höchst gegenwärtig auf der Bühne des Birdland in Neuburg, könnten auf’s erste Vorurteil gegensätzlicher nicht sein: Da ist Enrico Pieranunzi, der klassisch gebildete Jazzprofessor am edlen Bösendorfer, Meister romantischer Klavierimprovisationen und impressionistischer Feingeist, inspiriert von der in sich gekehrten, lyrischen Sensibilität Bill Evans‘, mit flexiblem Anschlag und nuancierter Dynamik. Da ist auf der anderen Seite der Powerbläser und bekennende Carlie Parker Fan Rosario Giuliani, dessen Altsaxophon in der Lage ist, jeden Ferrari als lahme Ente hinter sich zu lassen mit aufstaubendem Tempo.

Beide in Kombination: Hop oder Top, grandioser Flop oder fulminantes Konzert! Gegen ersteres sprach von vorn herein die Qualität der Musiker, das zweite war’s: Pieranunzi spielte so extrovertiert wie selten nicht nur im eigenen „Many Moons Ago“, Giuliani mit großem Herzen, sensitiver Empathie, stets kontrollierter Offensive und leisen „Reflections“, auch wenn die Post dann doch mal abging: „I Mean You“. Katalysator der beiden Temperamente war der Genius Monks. An dessen Musik kann man sich sowieso nicht satt spielen, nicht genug von ihr hören.