Gipsy Luna | 25.10.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es gibt Abende, die blei­ben in Erinnerung. Zum Beispiel der mit Philippe Loli, dem monegassischen Star­gitarristen, der zuletzt vor ziemlich ge­nau zwei Jahren zusammen mit seinem Sohn Giuliano und dem Geiger Matthias Well ein denkwürdiges Konzert im Bird­land Jazzclub in Neuburg gab. Erinne­rungswürdig ist auch das aktuelle, bei dem er zusam­men mit den beiden Gitar­risten Jean-Marc Scheit und Marco Mi­cheli wieder mal, wie bei ihm üblich, die Schnittstelle zwischen Klassik, World Music, Film­musik und Jazz für sein Re­pertoire aus­erkoren hat. Diesmal freilich aus einem ganz anderen Grund.

Es ist nun mal so, dass man sich am leichtesten merkt, was gründlich schief­gegangen ist. Und das ist bei diesem Konzert die letzte halbe Stunde. Mit gewohnter Souve­ränität ha­ben sich Loli und seine Mit­streiter, bei­des versier­te Instrumentalis­ten und mit star­ken Te­norstimmen ausge­stattet, 60 Minuten lang wacker ge­schlagen, ha­ben Fla­menco, Bossa Nova, Samba, kubani­schen Cha Cha und spani­sche Gitar­ren-Klassik für ihre Zwecke aufbereitet und arrangiert, kurz mal bei Ennio Morrico-n­e, Charles Aznavour und mit „Fragile“ sogar bei Sting vorbeige­schaut und die ausgewählten Stücke – auch die leich­teren – mit ihrer Art der Umsetzung zu einem konzertanten Er­eignis gemacht, das ihrer Bedeutung ab­solut entspricht. Loli’s eigene Kompo­sitionen wie „Cafe Latino“, „Car­naval“, „Samba da Noche“ oder „Com­pas“ sind echte Perlen und wenn ein Könner wie er sie als Aus­gangspunkt für eines seiner Soli benutzt, ist das allemal ein besonde­res Ereignis. Auch an diesem Abend ist das so.

Dann aber sticht ihn der Hafer und er verabschiedet sich bewusst von dem bis­herigen hohen Level und lässt sich auf Italo- und Ibe­ro-Schlager wie Rocco Granata’s „Mari­na“ und Domenico Mo­dugno’s „Volare“ ein. Ohne Not wohlge­merkt, denn das Publikum hat er zu diesem Zeitpunkt längst überzeugt von seiner Klasse. Warum nur tut er das? Hat man bis hierher gedacht, hier sei endlich mal wieder jemand auf der Büh­ne, der spanische, lateinamerikani­sche und kari­bische Musik außerhalb des Jazz nicht automatisch mit folkloristi­scher Touris­ten-Anmache gleichsetzt, und war froh über genau diese Tatsache, dann tut diese Hinwendung zur oberflächlichem „Kar­neval in Rio“- und „Fiesta del Vino“-Muzak besonders weh. Obwohl dem Pu­blikum, das freilich trotz des Einbruchs des Trios kurz vor der Ziellinie bis zum Ende mehrheitlich begeistert mitsingt und mitklatscht und sogar zwei Zugaben einfordert, weitere Machwerke wie „Guantanamera“ oder „Vamos à la Pla­ya“ – oh ja, es gäbe da schon noch eini­ges an Grausamkeiten – erspart bleiben, ist die Sache ab diesem Zeitpunkt eigent­lich gelaufen. Trotz des finalen Licht­blicks einer durchaus hörenswerten Be­arbeitung von „May Way“, das Loli Frank Sinatra zuschreibt, auch wenn es von Paul Anka stammt.

Was für Potential, welch künstlerische Klasse, welch hohe Kreativität, welch beeindruckende Darbietung aller drei Beteiligten als Instrumentalisten und als Sänger. Und dann diese Schlussphase, die besonders nachhallt. Bei den einen, weil sie für sie die mit der ausgelassens­ten „Stimmung“ und damit die mit dem höchsten Unterhaltungswert war, für die anderen, weil sie sie so überaus enttäu­schend fanden. Vor allem dann, wenn man sich vergegenwärtigt, welchen ex­zellenten Ruf Loli bislang in Neuburg hatte. Wohlgemerkt: Hatte.