Gipsy Luna | 25.10.2024

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Was für ein Abend im Neuburger Birdland. Das Gitarren- und Gesangstrio Gipsy Luna hat am Freitag im Jazzkeller einiges zu bieten: Alte, flotte Schlager wie „Marina“, „Volare“ und manch anderes dieser Art. Ein Publikum, das animiert durch die Band über längere Strecken mitklatscht und mitsingt. Und eine Atmosphäre, die fast in Richtung Stimmungsmusik geht. Derlei kennt man eher von Pop- und Folklore-Konzerten oder von ausgelassenen Partys. Mit dem Anspruch des Neuburger Birdland-Clubs und der bei allem Wohlwollen unerlässlichen musikalischen Komplexität jeder Art von Jazz hat das, mit Verlaub, nicht mehr sehr viel zu tun.

Da fehlten gegen Ende des Konzerts nur noch die „Ole!“-Rufe aus dem Publikum. Dann wäre man mittendrin gewesen im Feeling der Abend-Show eines Ferienclubs unter südlicher, spanischer Sonne. Die scheint ja sowieso bei Tag und Nacht. Und es ist ihr nicht so wichtig, worauf sie gerade herunter scheint. Hauptsache, das Publikum ist begeistert.

Kein Zweifel: Das Gitarren- und Gesangstrio Gipsy Luna hat diesen High-Life-Teil seines Auftritts in Neuburg technisch perfekt über die Rampe gebracht, vokal wie instrumental. Sie heizten so dem Großteil der Zuhörer reichlich ein – und ließen Jazzfreunde, die sich etwas anderes erwartet hatten, ein wenig ratlos zurück.

Denn eigentlich ist das Trio Gipsy Luna mit dem monegassischen Gitarren-Giganten Philippe Loli und den beiden Mitstreitern Jean-Marc Scheit und Marco Micheli dafür bekannt, dass es spannende Welten wie Klassik, Jazz, Weltmusik und lateinamerikanisch geprägte Songs und Balladen zu einer eigenen, neuen musikalischen Sprache verwebt. Auch davon ließen die drei Vollblut-Gitarristen in Neuburg manches hören. Musikprofessor Loli, Komponist bedeutender Werke für Orchester und Sologitarre, rechtfertigte im Birdland seinen weltweiten Ruf. Was ihm bei der Adaption von Chansons eines Charles Aznavour, bei Samba la noche oder bei seinen Soli im „Cafe Latino“ an improvisatorischer Tiefe gelingt, wie er mit einer selbstverständlichen Grandezza über das gesamte Griffbrett (manchmal fast darüber hinaus) spaziert – all das zeigt, welche Substanz in diesem großen älteren Herrn der Gitarrenkunst steckt. Nicht zuletzt in den Balladen, die alle Facetten von Liebesleid, Liebesfreud und die unendlich vielen Schattierungen dazwischen ausleuchten.

Die beiden Loli-Mitstreiter Jean-Marc Scheit und Marco Micheli glänzen in diesem Teil des Abends mit ihrem Rhythmus-Feeling, das gleichsam Kontrabass und Drums mitdenkt und vor allem mit ihren Gesangspartien. Im intensiven, dunkel sinnlich gefärbten Sound ihrer Bass-Bariton-Lage geben sie den Samba- und Gipsy-Nummern eine noble Note.

Vor allem im zweiten Set drängen die beiden Loli-Compagnons den Charakter des Konzerts dann in eine andere, eingangs beschriebene Richtung. Im Programmheft war ein „Abend zum Schwelgen“ mit Rumba, Samba und Gypsy-Klängen angekündigt. Es ging dann aber darüber hinaus – in Richtung Showtime bis zum leichten Ausflippen. Ein paar Schritte zu weit.