George Robert – Phil Woods Quintet | 10.09.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Long time no see, Mister! 1995 war es, da blies Phil Woods als einer der ersten Musiker den noch frischen Putz von den Wänden des Hofapothekenkellers. Das damalige Konzert des Alto-Patriarchen aus Springfield/Massachusettes gehört bis heute mit zum Besten, was je die Katakomben in der Neuburger Altstadt mit Musik ausfüllte. Ein Manifest des Bebop für alle Ewigkeit.

Jetzt, fast genau zehn Jahre später, just zum Eröffnungskonzert der neuen Saison im „Birdland“-Jazzclub, scheint die Zeit offenbar in einer Warteschleife gefangen zu sein. Woods kommt mit dem selben Saxofon, er trägt immer noch das gleiche schwarze Lederkäppi, wahrscheinlich auch noch das selbe Polo-Shirt. „Nur die Stühle waren vor zehn Jahren weiter“, ulkt der etwas füllig gewordene, gut gelaunte Maestro unter dem Gelächter des Publikums. Und dann noch dieser Sound!

Nur stammt der kurioserweise nicht von dem mittlerweile 73-Jährigen, der für jeden sichtbar vor dem ersten Ton ein Asthma-Spray benutzen muss und alles deutlich langsamer angeht, sondern von seinem jüngeren „Partner in Crime“ am Altsaxofon, George Robert.

Die beiden verbindet so etwas wie ein Vater-Sohn-Verhältnis: Blindes Vertrauen, uneitle Zurückhaltung, kein egomanisches Geprotze und ein vermeintliches Duell, das eher einer harmonischen Tandemfahrt gleicht. Dass Woods die Gesundheit und sein fortschreitendes Alter Grenzen stecken, spürt jeder im ausverkauften Keller. Doch im Gegensatz zu vielen anderen, die einfach nicht akzeptieren wollen, dass die Zeit ihren Tribut fordert, weiß er, wie man in Ehren den Rückzug antritt, ohne dabei das eigene Denkmal zu beschädigen.

Phil Woods lässt sich nicht auf gnadenlose Tempojagden ein, weil er längst weiß, dass er dabei den Kürzeren ziehen würde. Er beschränkt sich auf die Ausdruckskraft von milden Balladen wie „Summer Serenade“ von Benny Carter oder Mal Waldrons „Soul Eyes“, bei denen sein nach wie vor traumwandlerischer Ansatz jede noch so komplizierte Notenpartitur mit spielerischer Leichtigkeit erklimmen kann. Und er überlässt im „Birdland“ George Robert das Feld, dem Direktor der renommierten Swiss Jazz School in Bern und damit so etwas wie der amtierende Chefjazzer Helvetiens. Sein designierter Nachfolger.

Jeder einzelne Ton klingt sorgsam modelliert und virtuos eingefärbt. Robert lässt sich von der Stimmung der Stücke treiben, liefert Virtuoses, Überraschendes, Wärmendes und Aufrührendes zugleich. Seine wellenförmig gleitenden Linien lösen einen Zauber aus, den niemand mehr außer Kraft setzen kann. Das Publikum honoriert solch authentische Kunst mit frenetischem Beifall und Phil Woods mit einem zufriedenen Dauerlächeln.

Auch andere wissen sich neben dem Alto-Pärchen in Szene zu setzen. Der feine Pianist Bruce Barth, der leider seit zehn Jahren als Geheimtipp fest hängt, schafft im Trio mit Bassist Darryl Hall und Drummer Montez Coleman selbst im Affenzahn noch unglaubliche Läufe. Die Zugabe steht dann symbolisch für das ganze Konzert. Eine bezaubernde Duo-Performance von Robert und Barth, den keineswegs heimlichen Helden dieses Abends. Phil Woods bleibt trotzdem eine Legende.