Was die Jazztradition mit dem Hier und Heute zu tun hat? Vielleicht gibt der Titel »My Funny Quarantine« Antwort, zumindest was die Kunst des Pianotrios angeht. Die klassisch ausgebildete Jazzpianistin Gee Hye Lee zeigte im Neuburger Birdland, wie es auch in widriger Zeit gelingen kann, die Fackel weiterzutragen.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ruht die Kunst des Pianotrios im Jazz auf den Schultern von Bill Evans, der Ende der 50er gemeinsam mit Scott LaFaro und Paul Motian die Gleichberechtigung in seinerzeit unerhörter Weise zur Geltung brachte und damit eine weitreichende Tradition begründete, zu der nicht nur Größen wie Keith Jarrett oder Brad Mehldau zählen und in der das Ganze weit mehr gilt als die Summe seiner Teile.
Gee Hye Lee am Piano, Joel Locher am Bass und Mareike Wiening am Schlagzeug wandeln erkennbar in den Spuren, ohne dabei jedoch der Versuchung zu erliegen, ausgelatschte Pfade zu nutzen. Eigenwillig und eigenständig interpretieren sie, was die Geschichte ihnen aufgibt. Nicht von ungefähr erinnert »My Funny Quarantine« an den Broadway-klassiker »My Funny Valentine«, eine wunderbare Ballade aus den 30ern, die zur Ikone des coolen Jazz wurde. So augenzwinkernd wie innig erklang Gee Hye Lees Lockdown-Adaption im Birdland, ganz im Heute und zeitlos schön zugleich. »Schlafparalyse« dagegen sollte erst dem wirren Traum und dem Tanz der Kobolde im Zwielicht zwischen Schlafen und Wachen entrinnen, bevor es gesammelten Sinnen entgegensah.
Drei Aktivposten waren da auf der Bühne des Neuburger Jazzclubs zu erleben, Gee Hye Lee mit perlend lebendigem, mal sensiblem, mal kraftvollem, stets ungemein flüssigem Klavierspiel, Mareike Wienig mit präsentem, starkem, überaus variablem Schlagzeug und Joel Locher mit melodischer wie harmonischer Prägnanz und Sicherheit an sehr sonorem, zuweilen förmlich singendem Bass.
»A Cottage on an Isle« entflocht eine träumerische, kinderliedähnliche Melodie zu einem starken Stück Jazz, das jedwedem Protagonisten der großen Tradition zur Ehre gereicht hätte; »Old Beginning« schließlich drehte das Rad weiter über die Unbilden der Gegenwart hinaus und schenkte – wie das ganze Konzert – ein Stück Hoffnung in düsterer Zeit.