Eigentlich ist es ja ein Trio. Warum die Hinzunahme zweier solch famoser Bläser wie des Trompeters Jakob Bänsch und des Tenorsaxofonisten Alexander „Sandi“ Kuhn nicht automatisch gleich die Umbenennung in ein Quintett nach sich zieht, dass kann allein Gee Hye Lee beantworten. Vielleicht liegt es auch daran, dass die gebürtige Koreanerin, die seit 2009 in Stuttgart lebt und sich von dort aus eine kleine, aber feine Karriere aufgebaut hat, ihr ganzes musikalisches Denken und Handeln vom liebgewonnenen musikalischen Dreieck aus ansteuert. Seit vielen Jahren schon agiert sie mit dem Bassisten Joel Lochner und der unglaublichen Schlagzeugerin Mareike Wiening an der Seite – zwei Sicherungsanker, mit denen dieser hinreißend offenen und erzählerisch hochbegabten Pianistin schlicht nichts passieren kann.
Wenn dann aber, wie am Schluss ihrer Tournee durch deutsche Clubs und Hallen, im Neuburger Birdland Kraftwerke wie eben Bänsch und Kuhn mit auf der Bühne stehen, dann verändert sich automatisch Gee Hye Lees Musik. Sie wird fragiler, noch einen Tick emotionaler, berührt, bewegt und fasziniert. Es ist dieses Wechselspiel aus wilden solistischen Jagden, die mit seltener Einvernehmlichkeit stets in ein großes Fest aus pulsierenden Rhythmen und dramatischen Endungen münden, und wunderschönen harmonischen Klanglandschaften, die Sonnenuntergänge sowie einen weiten Horizont evozieren können. Ein Trio mit zwei instrumentalen Diamanten, um die jede andere Band die 47-jährige Leaderin beneiden würde, präsentiert ihr Kompositionen, die eine Prise fernöstlichen Zaubers verströmen, aber im Kern den klassischen amerikanischen Jazz in die Gegenwart überführen. Mit einer Ausnahme: Der Standard „My Favorite Things“ gerät zum Musterbeispiel für gelungene Kollektivimprovisation und Virtuosität.
Ansonsten gewährt Gee Hye Lee ihren Mitstreitern die lange Leine, und das ist weiß Gott nicht die schlechteste Entscheidung. Denn vor allem dem jungen Jakob Bänsch zuzuhören und ihn dabei zu beobachten, wie er lange, kraftvolle Linien konstruiert, samt und sonders energetisch am obersten Level und akkurat in der Phrasierung, das würde den Eintrittspreis allein schon lohnen. Daneben agiert mit „Sandi“ Kuhn endlich wieder einmal ein Tenorsaxofonist mit „Körper“, will heißen, mit einem vollen, robusten, wuchtigen Ton. Wenn sich die beiden Bläser im Unisono zum Power-Pack verschränken, wenn Drummerin Mareike Wiening dann noch ihre mal enorm druckvollen, dann wieder dezenten Fills beisteuert und Joel Lochner seinen warmen Basston drunter schiebt, dann scheint es, als ob jedes Stück die Flügel ausbreitet und zu segeln beginnt.
Die Nummern aus Lees Feder tragen Namen, bei denen das Gefühl überall durchschimmert und plastisch die Stoßrichtung vorgibt: das freudige-tanzende Heimkehr-Ode „Korea, Here We Come“, das sympathisch-chaotische „A Journey Of Nonsense“, das hibbelig-unweihnachtliche „2nd“, das sie für den Zweiten Advent komponierte, oder das lebensbejahende „For Today“, in dem vor allem die Pianistin ihre technische Brillanz und stilistische Eigenständigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellt. Es kommt tatsächlich auf den Tag an, und an diesem hatten Gee Hye Lee und die Ihren wirklich einen der Güteklasse „Sahne“ erwischt. Der durfte dann für das „Trio Plus“ scheinbar kein Ende nehmen: Noch weit nach Konzertende, als das restlos begeisterte Publikum längst gegangen war, spielten sie im leeren Hofapothekenkeller einfach weiter. Weil es auch Musikern manchmal richtig Spaß machen kann!