Gebhard Ullmann „Basement Research“ | 02.10.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Gebhard Ullmann hat in Neuburg einfach kein Glück. Schon bei seinem letzten „Birdland“-Gastspiel im September 1992 mit der Formation „Springtime“ musste er gegen eine ganze Armada von leeren Stühlen anspielen. Nun, mit seiner New Yorker Workingband „Basement Research“, passierte dem Saxofonisten und Bassklarinettisten Ähnliches: die Reihen blieben licht, die Stimmung eher reserviert, obwohl Ullmann nach wie vor visionären Jazz voller Risiken kreiert.

Am deutschen Namen liegt solch chronisches Desinteresse weniger. Das Publikum weiss vielmehr, dass es der 42jährige Berliner zu jeder Sekunde seiner Konzerte hart in die Mangel nimmt, niemals in eine schwammige Oberflächlichkeit entlässt, die im klassischen Mainstream längst zur gängigen Norm geworden ist. Radikaler werden derzeit allenfalls in der New Yorker Knitting Factory Tabus zerbrochen. Wo bitte bleibt der Swing? – das krasse Missverständnis ließe sich kaum treffender, als mit dieser banalen Frage umreissen.

Ullmanns spezielle Ästhetik: das sind zerfaserte, zerbombte Klanglandschaften wie in „Almost 28“, sirenenartige Saxofonschreie wie in „Kreuzberg Park East“, eine ganz bestimmte Dunkelheit, wenn die Musik zu hell zu werden droht, wie in „Fourteen Days“. Seine Kompositionen gleichen Hörbildern, assoziativen Reisen zwischen Tradition und Avantgarde, zwischen Neuer Musik und Folk. Sie schwimmen wie fluktuierende Makroorganismen durch den Raum, deren Tonalität grundsätzlich eigenen Gesetzen folgt: permanent wechselnde Tempi, harmolodische Texturen, expressive Motorik und trancehafte Statik.

Über Gedanken, Erinnerungen und Empfindungen lassen sich die Vier von „Basement Research“ schwerelos in die Improvisation treiben; ein kaum vorhersehbarer Prozess, bei dem sich schnell die individuelle musikalische Potenz herausschält. Ullmann beispielsweise schafft es kaum, die dichte, erzählende Struktur seiner Bassklarinette auf das Tenorsax zu übertragen. Deshalb liegt es an diesem Abend allein an dem New Yorker Geheimtip Tony Malaby, mit diesem Instrument durch chromatische Überwucherungen, irrlichternde Skalen und ekstatische Ausbrüche die Luft zumindest kurzzeitig zum Brennen zu bringen

Auch Bassist Drew Gress verzahnt virtuos große, plastische Linien mit kreiselndem, metaphernartigem Arcospiel, während sich Drummer Phil Haynes als arhythmischer Blender produziert, der nur durch das Geisterschiff-artige Kratzen seiner Sticks auf denBecken aus der aufbrausenden akustischen Wand hervorsticht. Manchmal wirkt das Interplay des Quartetts tatsächlich wie ein Gewitter. Dessen reinigende Wirkung bekommt jedoch allenfalls der Himmel zu spüren. Das Publikum jedenfalls bleibt an solchen Tonsetz-Experimenten weitgehend unbeteiligt. Aber wer braucht es schon, wenn die Musiker nur noch sich selbst genügen?