Gebhard Ullmann Basement Research | 02.10.1999

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Es gehört Konsequenz und Mut dazu, Musik zu machen, die nichts als Individualität an den Anfang stellt. Die Gebhard Ullmann Basement Research zeigte im Neuburger Birdland Jazzclub, daß eine freie Spielweise nach wie vor einen bedeutenden Beitrag zum modernen Jazz leisten kann.

Basement Research – Grundlagenforschung: Der Berliner Ullmann bezieht den Namen seines Projekts wohl nur vordergründig auf das von ihm derzeit bevorzugte Instrument, die Baßklarinette. Nicht allein deren und der Band tiefe Tonlagen will er durchleuchten. Offensichtlich geht es um mehr: die Frage nach verbleibenden Regeln und Grenzen der Musik am Ende des 20. Jahrhunderts. Mit Tony Malaby steht ihm am Tenorsaxophon ein zweiter Solist zur Seite, mit dem er gemeinsam forscht, wie weit es möglich ist, Spannungen so zu gestalten, daß sie ein höchstmögliches Maß an Freiheit mit einem ebensolchen Maß an Harmonie verbinden. Das läuft ineinander, auseinander, scheint zuweilen in Einzelmeditationen zu verbleiben, findet sich wieder zusammen. Bei aller Freiheit bleiben Harmonie und rhythmische Geschlossenheit immer erhalten, intensiv aufeinander abgestimmt, so daß nie ein Zweifel an der Folgerichtigkeit aufkommt. Die beiden gehen in feinsten Nuancen aufeinander ein, in Rede und Gegenrede, in plötzlichem Unisono, in perfektem rhythmischem Timing. Baß und Schlagzeug gesellen sich dazu mit Vitalität, Vehemenz und eigenen Statements zur Sache.

Basement Research, das ist nicht nur der Name der Band, sondern auch einer Komposition, die das Selbstverständnis des Ullmann´schen Projekts reflektiert. Baßklarinette und gestrichener Kontrabaß geben im Unisono ein Thema vor, mit schwerem Groove steigt das Schlagzeug ein, ein Zwischenruf des Saxophons klingt wie eine Herausforderung, verstummt wieder, gibt Räume frei zur Improvisation in den Tiefenregionen. In tranceartiger Versunkenheit kehrt sich Logik um in ihr Gegenteil, wird das Unvorhergesehene zur Regel. Da verwischen sich Grenzen zwischen Jazz und Neuer Musik, zwischen Ost und West, Innen und Außen, Klang und Geräusch in der Magie des Augenblicks zu wahrlichen Sternenklängen. Expressionistische Klangmalereien, multikulturell, industriell, hektisch und festlich zugleich spiegeln den Alltag von „Kreuzberg – Park East“, zweier Metropolen, Berlin und New York, jede auf ihre Art ein Schmelztiegel: hier Europa, dort die Neue Welt.

Drew Gress ist ein Bassist der Extraklasse mit schlafwandlerischer Technik, knackigem Sound, klarer Akzentuierung und solistischem Potential, wie es selten zu hören ist. Phil Haynes an den Drums überrascht mit einigen originellen Klängen der Becken, sein Groove ist hart, aggressiv und schwer.

Gebhard Ullmann Basement Research beeindrucken mit einer außerordentlichen Prägnanz und Präzision im Zusammenspiel, die gleichzeitig jede solistische Freiheit einschließt. Alles in allem mehr als nur ein Randkommentar zum 3. Oktober: Ordnung ist nur, was der Freiheit Raum gibt.