Gayle – Booth – Turner | 27.02.2010

Donaukurier | Bruno Turchet
 

Wo beginnt der Jazz und wo endet das musikalische Chaos? Dies fragten sich im Neuburger Birdland nicht nur die Zuhörer, sondern zuweilen wohl auch die drei Musiker auf der Bühne. Der „Godfather“ des modernen Schlagzeugspiels, Sunny Murray, musste aus gesundheitlichen Gründen fernbleiben. Er hatte vergangene Woche nach einem Konzert in Tschechien einen Kreislaufkollaps erlitten. Als Ersatz sprang kurzfristig der englische Schlagzeuger Roger Turner ein. Charles Gayle, Tenorsaxofon, und Juini Booth, Bass, verließen mit ihren irrwitzigen Ideen das Grundkonzept des gepflegten Jazz und wagten ein Experiment der freejazzigen Art. Zusammen mit Juini Booth dominierte Charles Gayle die Szenerie mit spontan erdachten Themenfetzen. Ersatzschlagzeuger Roger Turner hatte zunächst Schwierigkeiten sich einzufinden, sein perkussives Spiel war oft zu kraftvoll, laut und impulsiv, doch mehr und mehr entspannte er sich und fügte sich mit seiner unkonventionellen Art ein. Die virtuose Spielweise der Musiker ließ das musikalische Irgendwas nie langweilig werden. Die besten Momente hatte das Trio immer dann, wenn der Groove den musikalischen Hybrid dominierte, wenn alle Solisten in die Weiten des Freejazz abdrifteten und ihre Instrumente an die Grenzen heranführten. Später tauchten sie wieder extrem entspannt in den brodelnden musikalischen Fluss ein. So futuristisch hat Freejazz im Neuburger Jazztempel selten geklungen. „Es hat mir sehr großen Spaß gemacht – und ich komme gerne wieder“, sagte Charles Gayle, der nur wenige Stunden nach seinem Auftritt im Birdland seinen 71. Geburtstag feierte.